Wenn beim Einkoten, wie in den meisten Fällen zu erwarten ist, eine organische Schädigung ausgeschlossen werden kann, dann muss nicht das Einkoten, sondern die Ursache angegangen werden, um eine echte Heilung zu erreichen. Seitens der Eltern heißt das, dem Kind soviel als möglich Erlebnisse des Geborgenseins zu vermitteln und dem Ruf nach Zuwendung so gut als möglich zu entsprechen. Jeder Appell an das Gewissen des Kindes oder an sein Schamgefühl ist zu unterlassen, es würde nur neue Schuldgefühle auslösen, die innere Gespanntheit noch erhöhen und das Symptom verstärken. Ganz entscheidend ist es, daß das Kind vorbehaltlos geliebt wird, und dass es nicht nur wegen des Einkotens erhöhte Zuwendung erfährt. Sollte das Kind befürchten, daß diese Zuwendung ihm wieder verloren geht, sobald das Symptom verschwindet, dann wird das Einkoten wahrscheinlich nicht aufhören, sondern sich möglicherweise verstärken.
Es werden zunächst die Konfliktbereiche ermittelt, die zusammen mit dem Einkoten und auch anderen Erziehungsproblemen stehen. Einkoten und Einnässen ist nicht nur peinlich für die betroffenen Kinder. Nicht selten kommen Eltern mit dem Schuldgefühl zur Therapie, dass sie am Auftreten des Problems verantwortlich sind. Sie sehen sich zum Teil als Mitverursacher. Beim therapeutischen Vorgehen handelt es sich vorwiegend um ein funktional orientiertes Behandlungskonzept. Dabei werden die Maßnahmen und das Vorgehen an folgenden Überlegungen ausgerichtet:
- den persönlichen Merkmalen des einkotenden Kindes
- seiner Familie, sowie
- den Charakteristika des Einkotverhaltens
In der Behandlung kommen neben familienzentrierten, spieltherapeutischen Maßnahmen verhaltenstherapeutische, funktionsspezifische Ansätze zum Tragen. Vor der Therapie wird eine diagnostische Phase der Behandlung vorgeschalten. Diese besteht aus folgenden Erhebungen:
- Elternfragebögen zum Einkoten
- Erhebung zur Einstellung der Eltern zum Einkoten
- Anamneseerhebung
- Entwicklungs- und lebensgeschichtliche Untersuchungen mit den Eltern und dem Kind
Bei einer monosymptomatischen Form der Enkopresis mit nur geringer bis mäßiger emotionaler Symptomatik und bei guter Kooperation der Eltern und des Kindes ist eine ambulante Therapie häufig ausreichend. Bei ausgeprägtem Schweregrad, erheblicher psychiatrischer Komorbidität und/oder eingeschränkten Ressourcen im familiären Milieu ist teil- bzw. vollstationäre Therapie initial zu bevorzugen. Sollte eine ambulante Therapie nach 3 Monaten keine Erfolge zeigen, dann ist auch bei weniger schwerwiegender Ausprägung eine teil- bzw. vollstationäre Therapie zu empfehlen. Die Behandlungsformen der primären und der sekundären Enkopresis unterscheiden sich nicht. In bezug auf die Komorbidität ist zu bedenken, daß bei Vorliegen eines Hyperkinetischen Syndroms zunächst dieses gezielt behandelt werden sollte, um die Grundlage für eine wirksame Therapie der Enkopresis zu schaffen, das gleiche gilt beim Vorliegen einer Angst- und/oder Zwangsstörung. Liegt eine Sozialisationsstörung vor, dann sollten sowohl die Enkopresis als auch die Sozialisationsstörung parallel behandelt werden. Bei Komorbidität mit Enuresis sollten ebenfalls beide Störungsbilder gleichzeitig therapeutisch angegangen werden.
Bewährt hat sich ein gestuftes Vorgehen:
Stufe 1:
Eine Reduktion der psychischen Belastung, die das Symptom in der Familie hervorgerufen hat. Beratung der Eltern, Aufklärung über die Besonderheiten der Erkrankung mit Entängstigung und Reduktion von Schuld und Schamgefühlen bei Kindern und Eltern, insbesondere bei den betroffenen Kindern ist dies oft nur in einem kognitiv-psychotherapeutischen Setting möglich. In diesem Zusammenhang muß das betroffene Kind ein Gefühl dafür entwickeln, daß es an einer Krankheit leidet, die der unmittelbaren Willenskontrolle nicht zugänglich ist, die aber durch aktive Trainingsmaßnahmen beherrschbar werden kann. Die betroffenen Kinder sollten im Laufe der Behandlung lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und im Rahmen des therapeutischen Settings zunehmend eigenverantwortlich und selbständig zu handeln, zum Beispiel eigenverantwortliches Einhalten des Toilettentrainings, Auswaschen der verschmutzten Wäsche, hygienische Maßnahmen.
Stufe 2:
Psychotherapeutische Maßnahmen zur Reduktion der emotionalen Belastung, ggf. unterstützt durch die Gabe von Thymoleptika. Hierbei muß bedacht werden, daß trizyklische Substanzen häufig eine Obstipation hervorrufen, die die Symptomatik der Enkopresis noch weiter akzentuieren kann. Parallel hierzu ein verhaltenstherapeutisches Programm („Toiletten Training“): Regelmäßiger Gang zur Toilette nach den Mahlzeiten, Dauer mindestens 5 Minuten, auch wenn kein Stuhldrang verspürt wird. Achten auf entspanntes Sitzen auf der Toilette (bequemer, fester WC-Sitz, Abstützen der Füße evtl. durch ein Fußbänkchen, um damit entspanntes Sitzen ohne Verspannung des Beckenbodens zu ermöglichen). Positives Besetzen der Situation, Lektüre darf mitgenommen werden.
Kontingente Verstärkung des Einhaltens des Toilettentrainings durch Lob und Zuwendung, zusätzlicher Verstärkereinsatz, wenn Stuhl in die Toilette abgesetzt wird wie gemeinsames Spiel, gemeinsame Tätigkeiten. Abführende Maßnahmen sollen das Absetzen des Stuhles erleichtern, dabei wird zunächst Natriummono- /dihydrogenphosphat- Klistier, wie zum Beispiel PractoClyss®, oder Abführzäpfchen mit Bisacodyl wie Dulcolax® gegeben und wenn das nicht ausreichend ist, dann kann die Gabe von Movicol®-Lösung etwas weiter Helfen, da die Volumenbelastung zur Einschränkung von Perzeption, Muskeldruck, Peristaltik und Koordination führen kann. Bei eindeutigem Vorliegen einer Obstipation 2 – 3mal pro Woche abführende Maßnahmen, unterstützt mit peristaltikanregenden Substanzen wie zum Beispiel Bisacodyl.
Stufe 3:
Führen die oben aufgeführten Maßnahmen nach 6 – 8 Wochen Therapie nicht zu einem Erfolg, sollte die Behandlung durch zusätzliche Interventionen intensiviert werden. Intensivierung der Einzelpsychotherapie wie Bewußtmachen von häufig vorkommenden gehemmt-aggressiven Impulsen, Vermittlung von adäquatem Lösungsverhalten bei Konflikten im Alltag. Intensivierung des Elterntrainings wie Korrektur in der pädagogischen und emotionalen Beziehung zum Kind, Stärkung der Möglichkeit der Eltern, die therapeutischen Maßnahmen zu unterstützen. Beckenbodengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Erhöhung der Sensibilität des Kindes für körperliche Vorgänge und Besserung der muskulären Koordination.
Stufe 4:
Kommt es nach weiteren 4 – 6 Wochen nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik, sollte, ergänzend zu den oben aufgeführten weiterhin praktizierten Behandlungsansätzen, mit übenden Verfahren, zum Teil mittels Feedback, begonnen werden. Perzeptionstraining zur Verbesserung der Reizwahrnehmung, Koordinationsübungen zum Erlernen der Relaxation des Sphinkter externus, Steigerung der Kontraktionskraft und der aktiven Erschlaffung. Liegen sphinktermanometrisch gesicherte erniedrigte Druckwerte vor, kann Elektrostimulation hilfreich sein.
Stufe 5:
Führen die oben angeführten Behandlungsansätze nicht nach weiteren 4 – 6 Wochen zu einem Erfolg, sollte eine teilstationäre oder vollstationäre Therapie erwogen werden.
Besonderheiten bei der Behandlung
bei ambulanter Behandlung
Voraussetzungen für eine ambulante Behandlung sind eine ausreichende Therapiebereitschaft des Kindes, eine gute Kompetenz der Eltern und eine zufriedenstellende Compliance. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dann besteht eine Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung des Kindes.
bei teilstationärer Behandlung
Nach den vorhandenen Möglichkeiten muß entschieden werden, ob eine teilstationäre Behandlung durchgeführt werden kann. Determinierende Faktoren hierbei sind kurze Wege zwischen Elternhaus und Klinik, Einnahme aller Hauptmahlzeiten in der Tagesklinik, Verfügbarkeit der empfohlenen therapeutischen Möglichkeiten wie Physiotherapie, Feedback-Training. Es besteht ein unterstützendes therapeutisches Milieu, insbesondere im Hinblick auf die sozialen Folgen wie Hänseleien. Durch das integrierte Stuhlprogramm können intensive therapeutische Maßnahmen wie ein Toilettentraining auch am Vormittag durchgeführt werden.
bei stationärer Behandlung
Prinzipiell gilt gleiches Vorgehen wie bei der ambulanten Behandlung, jedoch intensiviertes Toilettentraining, alle 2 Stunden mit kontingenter Verstärkung, professioneller Unterstützung durch erfahrene und speziell geschulte Mitarbeiter im Pflege- und Erziehungsdienst. Soziotherapeutische Maßnahmen durch das sozialtherapeutische Setting der Station mit Verbesserung der sozialen Kompetenz und verstärkter Selbstversorgung. Entspannung der Eltern-Kind-Beziehung durch Entlastung und gezielte familientherapeutische Maßnahmen.
Jugendhilfemaßnahmen und Rehabilitationsmaßnahmen
Jugendhilfemaßnahmen können bei schwerwiegenden Belastungen im Umfeld des Kindes wie zum Beispiel bei Erkrankungen der Eltern, unzureichende Wohnverhältnisse oder unzureichende elterliche Aufsicht in Frage kommen.