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Therapie der Enuresis nocturna
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Die Behandlung richtet sich nach der Art des Einnässens. Genauso falsch wie die Haltung "alles ist körperlich verursacht" ist auch die Haltung "alles ist psychisch bedingt". Nur eine genaue diagnostische Abklärung - sowohl der medizinischen als auch der psychischen Komponenten - kann Aufschluß darüber geben, welche Form der Behandlung für das jeweilige Kind angebracht ist. Das kann sowohl eine medizinische Behandlung als auch eine Psychotherapie oder auch beides umfassen.
Der erste Schritt der medizinischen Behandlung besteht in einer Beratung und Information der Familie über das Bettnässen. Hilfreich ist das Führen eines Kalenders mit Eintragung der trockenen Nächte. Diese Protokolle (z.B. mit Sonne und Regen) sind bei kleineren Kindern sehr beliebt und erhöhen die Aufmerksamkeit auf den zu machenden Lernschritt. Dieses System hat aber nur dann einen Sinn, wenn Ihr Kind in etwa genauso oft trocken wie nass ist. Von einer bestrafenden oder bloßstellenden Anwendung muss jedoch strikt abgeraten werden.
Medizinische Therapie
Desmopressin
In der Medizin ist die Behandlung mit dem Medikament Desmopressin am weitesten verbreitet. Diese synthetisch hergestellte Substanz ist dem bereits beschriebenen körpereigenen Hormon ADH (Vasopressin) nachempfunden, und kann ähnlich wie das Hormon selbst, die Harnbildung in der Nacht verringern. Bei einer Nachtharnmenge, die die altersgemäße Blasenkapazität übersteigt, ist der Einsatz von Desmopressin die Therapie der Wahl. Grundsätzlich wird bei jedem Kind mit einer Dosis von 20 µg unmittelbar vor dem Schlafengehen begonnen (Riccabona Schema). Ist das Kind innerhalb von 48 Stunden nicht trocken, so wird die Dosis verdoppelt. Die Maximaldosis wird für mindestens 4 bis 6 Wochen belassen; erst nach einer durchgehenden Trockenheit über diesen Zeitraum wird die Dosis Schritt für Schritt jeweils um 10 µg reduziert. Nach neuerlichen 4 trockenen Wochen folgt eine weitere Dosisreduktion um einen Hub. Wird das Kind während der "Ausschleichphase" wieder nass, so muss die Dosis wieder auf die ursprünglich erfolgreiche Menge erhöht werden. Das Medikament kann erst nach durchgehender vierwöchiger Trockenheit mit 10 µg abgesetzt werden. Bei Kindern, die bereits vor Mitternacht einnässen, kann zusätzlich abends Oxybutinin verabreicht werden. Mehrere Studienergebnisse zeigen, dass die Ansprechrate auf Desmopressin und damit zumindest eine Reduktion des Einnässens bei etwa 75% liegt. 30% der mit dem Spray behandelten Patienten bleiben definitiv trocken, die Spontanheilungsrate liegt bei 15%. Die Therapie ist einfach, funktioniert recht sicher und kann auch über Monate bis Jahre angewendet werden.
Erfolge hoch, Rückfälle leider auch
Seit mehr als 20 Jahren befindet sich DDAVP in der klinischen Anwendung zur Therapie der Enuresis. Es handelt sich um ein synthetisches Analogon zum antidiuretischen Hormon (ADH) mit einer um ein vielfaches höheren antidiuretischen Wirkung als das natürliche Hormon. Desmopressin ist sowohl als Nasenspray als auch in Tablettenform wirksam und sicher. Einmal täglich eingenommen vor dem Schlafengehen resultiert eine Verringerung der nächtlichen Urinproduktion. Es existieren unterschiedliche Therapieschemata, einer ein- und ausschleichenden Behandlung wird der Vorzug gegeben. Die anfänglich hohe Erfolgsrate, Ansprechrate im Mittel 60-80% ist von einer ebenso hohen Rückfallquote begleitet - im Langzeitverlauf bleiben nur 20-25% definitiv trocken. Dennoch eignet sich Desmopressin insbesondere zur Verhinderung nasser Nächte im Rahmen bestimmter befristeter Situationen wie Übernachtung bei Feunden, im Schullandheim, etc. und zur raschen Überwindung eines Leidensdruckes. Es gibt Hinweise, dass Desmopressin möglicherweise auch Einfluss auf die Weckbarkeit hat. Daraus leitet sich die Empfehlung einer Kombinationsherapie für Kinder, die weder auf DDAVP noch auf die Alarmtherapie angesprochen haben.
Ursache für einen Misserfolg der genannten Therapieverfahren kann eine zu kleine oder /und instabile Blase sein, die wir bei etwa 50% der urodynamisch untersuchten Kinder mit bisher therapierefraktärer monosymptomatischer Enuresis nachweisen konnten. In über 60% konnte durch Oxybutynin Trockenheit erreicht werden. Auch eine Kombinationstherapie von Oxybutynin und DDAVP kann die Erfolgsraten verbessern.
Das synthetische Vasopressin-Analogon erhöht die Wasserrückresorption aus dem Primärharn, wirkt etwa zehn Stunden und beeinflusst den Blutdruck nicht. Die antidiuretische Potenz ist höher als die von Vasopressin. Desmopressin kann mit einer 40- bis 80-prozentigen Erfolgsrate aufwarten. Allerdings werden relativ viele Patienten nach dem Absetzen rückfällig. Bei 70% der Behandelten lässt sich der Therapieerfolg durch Ausschleichen der Desmopressin-Medikation stabilisieren. Unter den potenziellen Nebenwirkungen ist besonders die Gefahr der Wasserintoxikation zu beachten, wenn Kinder unter Behandlung mit Desmopressin zu viel Flüssigkeit aufnehmen. Es drohen Bewusstlosigkeit und Krampfanfälle.
Flüssigkeitszufuhr
Eine weitere, oft bei den Eltern verbreitete Behandlungsmethode ist die Einschränkung der Flüssigkeitszufuhr am Abend. Dabei sollte allerdings bedacht werden, dass das Kind so schwer lernen kann nachts auf die Toilette zu gehen, da ja kein, oder kaum Urin in der Blase vorhanden ist. Eine untrainierte Blase kann die Folge sein.
Wecken
Auch Wecken des Kindes in der Nacht wird oft praktiziert, dabei ist es aber wichtig systematisch vorzugehen und so die Wahrnehmung vom Harndrang zu verbessern und die Motivation des Kindes durch kleine Erfolgserlebnisse zu steigern. Wenn Eltern ihr Kind willkürlich wecken, kann dies zu einem Zeitpunkt geschehen, an dem die Blase noch nicht voll ist und es kann ein " unnatürlicher Miktionszeitpunkt" antrainiert werden.
Weckgeräte
Das Prinzip der Weckgeräte beruht auf dem lerntheoretischen Konzept - es wird eine Verhaltensänderung angestrebt. Das Nichterwachen zum Wasserlassen steht bei diesem therapeutischen Ansatz im Zentrum. Ein Weckapparat ist ein Gerät in Form einer Matratze oder eines Höschens, das an einen Apparat angeschlossen ist und klingelt sobald Flüssigkeit (Urin) auf die Matratze oder das Höschens trifft. Die Weckgeräte beruhen auf dem Prinzip, dass die Kinder durch den Alarm geweckt werden und der Miktionsreflex, unterbrochen wird. Manche Kinder entwickeln mit der Zeit die Gewohnheit, nachts automatisch aufzuwachen, um Wasser zu lassen. Andere lernen, den Miktionsreflex ganz neu zu unterdrücken und schlafen durch. Es gibt aber auch Kinder, die so tief schlafen, dass sie von dem Klingelton nicht aufgeweckt werden. In diesem Fall muss auf eine andere Methode zurückgegriffen werden.
Im 18. Jahrhundert gaben Heilkundige kleinen Bettnässern gekochte Mäuse zu essen oder ließen sie den Sud ausgekochter Vogelnester trinken. Die so genannte Alarmtherapie wurde erstmals 1830 beschrieben. Damals kam man auf die Idee, Enuresis nocturna mit Stromschlägen zu ahnden. Heute bedient man sich zur Alarmtherapie moderner akustischer Geräte, teilweise kombiniert mit Vibratoren.
Enuretiker sind Tiefschläfer und haben eine höhere Erweckbarkeitsschwelle, die mit den Alarmgeräten überwunden wird. Besonders gut scheint die Methode bei den geschätzten 30% Kindern mit nächtlicher Urge-Symptomatik zu wirken. Der Stress durch das Aufwachen verhindert die Blasenkontraktion. Die Eckpunkte der Alarmtherapie sind:
- Das Kind wird aufgeweckt und zur Toilette geschickt
- Um Tagesmüdigkeit zu vermeiden, dürfen Eltern diese Prozedur nur einmal pro Nacht durchführen
- Die Behandlungsphase sollte möglichst nicht unterbrochen werden
- Nässt das Kind 14 Nächte hintereinander nicht ein, ist die Alarmtherapie zu beenden
- Stellt sich nach vier Wochen kein Erfolg ein, sollte man die Behandlung abbrechen
Das für alle Beteiligten sehr anstrengende Verfahren erfordere hohe Motivation. Sei diese gegeben, betrage die Erfolgsquote 60 -70%. In fünf bis 30 Prozent der Fälle ist mit Rezidiven zu rechnen.
Psychologische Therapie
Motivation des Kindes
Die Motivationstheorie geht von dem Prinzip aus, dass das Kind selbst aktiv werden muss, um das eigene Problem zu erfassen und das Verhalten zu verändern. Gleichzeitig soll es positive Unterstützung seitens der Eltern und des Arztes bekommen. Das Kind kann z.B. einen Kalender führen, in dem es für jede trockene Nacht eine Sonne und für jede nasse Nacht eine Regenwolke einträgt. Oder wie an diesem Beispiel ein lachendes und ein weinendes Gesicht. Auch Belohnung für trockene Nächte können hilfreich sein, so können die Eltern dem Kind beispielsweise den Wunsch eines neuen Spielzeugs erfüllen wenn es mehrere Nächte hintereinander trocken war. Wichtig ist, dass die Eltern nicht negativ reagieren wenn das Kind doch wieder eingenässt hat, sondern so schnell wie möglich wieder eine positive Beziehung zum Kind aufnehmen. Auch Übungen zur Blasenkontrolle werden eingesetzt, zum Beispiel soll das Kind den Urin so lange als möglich zurückhalten um ihm die Blasendehnung bewusst zu machen. Auch ein willkürliches Unterbrechen des Harnstrahles fördert das Bewusstsein über die Kontrolle.
Da eine genaue Definition der Ursachen von Enuresis nicht besteht, und auch eine exakte Diagnose fast unmöglich ist, ist es auch schwierig, auf Anhieb eine passende Therapiemöglichkeit zu finden. Oft werden verschiedene Maßnahmen gleichzeitig oder nacheinander praktiziert um zum Erfolg zu kommen.
Gespräche mit den Eltern und dem Kind
Die psychologische Diagnostik besteht zunächst aus explorativem Verfahren wie den Gesprächen mit den Eltern und dem Kind. Dabei werden allgemeine Entwicklungsdaten des Kindes erhoben wie Schwangerschaft, Krankheiten, Unfälle und Daten über die frühkindliche Entwicklung. Dabei könnte man auf das Problem der Sauberkeitserziehung in der Familie stoßen und eventuelle Zusammenhänge mit dem Bettnässen erkennen. Auch werden Angaben zum Symptom selbst gemacht, wie die Beschreibung des Bettnässens (Häufigkeit, Stärke) und es werden Aspekte erfasst, die zeitlich mit dem Symptom in Beziehung stehen könnten. Dies können Merkmale sein wie abendliche Aufregung, Streit oder eine anstehende Klassenarbeit. Zum Beispiel scheint es einen deutlichen Zusammenhang zu geben, daß Mädchen häufiger nach Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Familie einnässen.
Außerdem werden körperliche Merkmale wie Fieber, Erkältung und Schlaftiefe erfasst, denn ein eventueller Zusammenhang von solchen physischen Aspekten mit psychischen Ursachen ist zu berücksichtigen. Weiter wird auf psychosoziale Lebensumstände wie Kindergarten oder Schule eingegangen, denn auch Schulangst kann auslösend für Bettnässen sein. Auch die Schilderung eines typischen Tagesablaufs ist ein wichtiger Gesprächspunkt. Hieraus können sich wertvolle Hinweise ergeben die dem Therapeuten helfen, die Beziehung zwischen Eltern und dem Kind zu verstehen. Zum Beispiel könnten die unterschiedlichen Erziehungsweisen der Eltern zu einem wichtigen Gesprächsinhalt werden und auch die anscheinend momentan problematische Beziehung zwischen den Eltern sollte hierbei zum Vorschein kommen und als eventuelle Ursache in Betracht gezogen werden. Ein ebenfalls wichtiger Punkt ist die Reaktion der Eltern auf das Bettnässen, es ist allgemein bekannt, dass Schimpfen und Strafen sehr wenig nützen.
Zum Schluss ist noch sagen, dass nicht nur die Eltern, sondern auch das Kind unter dem Bettnässen leidet! Es ist nachgewiesen, dass bettnässende Kinder oft ein geringeres Selbstwertgefühl haben als nicht-enuretische Kinder, wobei es hier fraglich ist, ob das geringere Selbstwertgefühl eine Folge des Bettnässens ist oder umgekehrt. Leider ist Bettnässen auch immer noch ein Tabuthema, Eltern und Kinder schämen sich darüber zu sprechen!
Die Akupressur eine wirksame Alternative?
Eine wirksame Alternative scheint die Akupressur zu sein. Sie ist zwar bisher noch weniger bekannt als die Akupunktur, doch die Methode wird zunehmend als sichere und kosteneffektive Therapie akzeptiert. Ihr Vorteil: Sie kann womöglich in bestimmten Fällen eine medikamentöse Behandlung ersetzen und benötigt - anders als die Akupunktur - keine Nadeln, weil bei ihr die Akupunkturpunkte mit einer speziellen Druckmassage stimuliert werden. Daher ist die Behandlung insbesondere für Kinder gut geeignet.
In einer Studie, an der 24 bettnässende Kinder im Alter zwischen vier und dreizehn Jahren teilgenommen haben, schnitt sie gegenüber einem häufig in diesen Fällen eingesetzten Medikament (Oxybutynin) tatsächlich gut ab. Anhand von Angaben der Eltern zur Häufigkeit des nächtlichen Bettnässens sowie anhand von Befragungen der Kinder bzw. ihrer Eltern verglichen Forscher der Atatürk University, Erzurum, Türkei, die Wirksamkeit von Akupressur und medikamentöser Therapie. Nach einem halben Jahr Therapie konnte mit der Akupressur bei 83 von 100 Kindern eine vollständige und bei 17 von 100 eine teilweise Besserung erzielt werden. Durch die medikamentöse Behandlung mit Oxybutynin besserte sich das Einnässen bei knapp 58 von 100 Kindern vollständig und bei gut 33 von 100 teilweise.
In der Studie wurden die Eltern von zwölf Kindern in Akupressur unterrichtet. Sie sollten bei ihrem Nachwuchs täglich für fünf Sekunden klassische Akupunktur-Punkte leicht mit den Fingern massieren. Weitere zwölf Kinder erhielten täglich Oxybutynin. Da die Studie sehr klein war, sind größere Untersuchungen notwendig, um das gute Abschneiden der Akupressur zu bestätigen.
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Therapie der Enuresis diurna
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Im Vergleich zum Bettnässen wird ein Einnässen tagsüber etwas anders behandelt. Diese Behandlung ist von der Art der Beschwerden abhängig. Eine kleine Übersicht der Behandlungsmethoden ist unten dargestellt.
Behandlung der idiopathischen Dranginkontinenz
Das Ziel ist eine Wahrnehmung und Kontrolle der Drangsymptome ohne Haltemanöver (wie Beine zusammenpressen). Die Kinder sollen dabei den Harndrang wahrnehmen, sofort die Toilette aufsuchen und auf Haltemanöver als Gegenmaßnahmen verzichten. In einem sogenannten "Fähnchenplan" werden Miktionen ohne Einnässen als Fähnchen, Einnässepisoden als Wolken dargestellt. Dies kann durch Belohnen des Kindes verstärkt werden. Falls diese Maßnahmen nicht ausreichen, ist häufig eine Behandlung mit dem Medikament Oxybutinin notwendig. Dies stellt die Base ruhig durch eine Entspannung des Blasenhohlmuskels. Die Nebenwirkungen sind eher gering und bilden sich nach Reduktion des Medikamentes rasch zurück.
Behandlung der Harninkontinenz bei Miktionsaufschub
Zunächst müssen Eltern und Kind beraten und entlastet werden. Der Zusammenhang zwischen dem Zurückhalten des Urins und dem Einnässen müssen erklärt und erläutert werden. Das Ziel ist es, daß das Kind häufiger (mindestens 7 mal am Tag) auf die Toilette geht. Dies wird ebenfalls in einem Kalender protokolliert und kann durch kleine Belohner verstärkt werden. Wegen der Häufigkeit von anderen Verhaltensauffälligkeiten sind häufig sind weitergehende therapeutische Maßnahmen notwendig.
Behandlung der Detrusor-Sphinkter-Dyskoordination
Hierbei sind spezielle Behandlungen mit Biofeedback-Methoden am effektivsten. Dabei wird der Harnfluß und die Anspannung im Beckenboden (während des Wasserlassens) über spezielle Apparaturen dem Kind optisch oder über Geräusche widergespiegelt. Das Ziel ist dabei eine bewusste Wahrnehmung von körperlichen Abläufen, die sonst nicht wahrgenommen werden. Schon nach wenigen Trainingstagen zeigt sich bei den meisten Kindern eine deutliche Besserung, wenn die Behandlung korrekt durchgeführt wird.
Pingpong zwischen Funktionsstörung und Entzündung
Während sich beim nächtlichen Einnässen die Blase völlig entleert, verlieren die Kinder bei Harninkontinenz tagsüber meist nur kleinere Urinmengen. Sie wird deshalb nicht als so störend empfunden wie die nächtliche Enuresis. Doch Eltern sollten gerade hier nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen. Denn dieser Harnverlust, ein Zeichen für eine Störung von Schließmuskel und Blasenmuskel, tritt sehr häufig zusammen mit Blaseninfektionen auf: In einer schwedischen Studie mit Siebenjährigen waren 8,4 Prozent der Mädchen und 1,4 Prozent der Jungen betroffen.
Auch fanden Wissenschaftler bei einer Studie mit Zehn- bis Elf-Jährigen ähnliche Häufigkeiten. Als die Forscher bei dieser Studie die Eltern befragten, erkannten sie, daß diese dem zumeist harmlosen nächtlichen Einnässen sehr viel mehr Bedeutung beimessen als der Harninkontinenz am Tag, hinter der eine Infektion stecken kann. Eine so genannte Dranginkontinenz ist dann eine der Folgen. Die Muskulatur, die für die Entleerung der Harnblase sorgt, ist überaktiv und zieht sich zusammen, noch bevor die Blase voll ist. Bei manchen Kindern fließt der Urin zum Teil wieder in die Blase zurück. Dieser Restharn ist ein idealer Nährboden für Bakterien. So kommt es immer wieder zu Entzündungen der Blase. Es ist daher wichtig, die Blasenentzündung gleichzeitig mit der Inkontinenz zu behandeln und die Ursache wiederkehrender Infektionen aufzuspüren.
Wichtig bei der medikamentösen Behandlung kindlicher Inkontinenz ist die Gabe von Antibiotika, falls eine Blasenenzündung vorliegt. Bei Dranginkontinenz können, zusätzlich zum Blasentraining, so genannte Anticholinergika eingesetzt werden. Deren Wirksamkeit kann jedoch noch nicht eindeutig beurteilt werden. Bisherige Studien, zeigen keinen deutlichen Unterschied in der Wirkung von Anticholinergika, Placebo und Blasentraining.
stationäre Behandlung
Eine stationäre Behandlung der Enuresis kann angezeigt sein, wenn die oben genannten Therapiemethoden im familiären Rahmen nicht durchgeführt können , starker Leidensdruck das Kind belastet oder eine ausgeprägte psychische Begleitproblematik besteht.
Ausblick
Leider werden viele Kinder nicht oder nicht ausreichend nach den aktuellen Standards behandelt. Es ist dabei wichtig, dass nach einer genauen Abklärung die für das Kind und für die Einnässform die effektivste Behandlung gewählt wird. Nur so hat das Kind die Aussicht irgendwann wieder trocken werden.
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Therapeutische Hilfen beim Einkoten
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Die Behandlung einer Enkopresis richtet sich wie bei der Enuresis nach dem Befund. Eine Behandlung der körperlichen Ursachen ist im Kapitel "Stuhlinkontinenz" beschrieben. Im nachfolgenden Kapitel werden die Behandlungswege einer Enkopresis aufgezeigt, die nicht durch körperliche Ursachen bedingt ist.
Wenn beim Einkoten, wie in den meisten Fällen zu erwarten ist, eine organische Schädigung ausgeschlossen werden kann, dann muss nicht das Einkoten, sondern die Ursache angegangen werden, um eine echte Heilung zu erreichen. Seitens der Eltern heißt das, dem Kind soviel als möglich Erlebnisse des Geborgenseins zu vermitteln und dem Ruf nach Zuwendung so gut als möglich zu entsprechen. Jeder Appell an das Gewissen des Kindes oder an sein Schamgefühl ist zu unterlassen, es würde nur neue Schuldgefühle auslösen, die innere Gespanntheit noch erhöhen und das Symptom verstärken. Ganz entscheidend ist es, daß das Kind vorbehaltlos geliebt wird, und dass es nicht nur wegen des Einkotens erhöhte Zuwendung erfährt. Sollte das Kind befürchten, daß diese Zuwendung ihm wieder verloren geht, sobald das Symptom verschwindet, dann wird das Einkoten wahrscheinlich nicht aufhören, sondern sich möglicherweise verstärken.
Es werden zunächst die Konfliktbereiche ermittelt, die zusammen mit dem Einkoten und auch anderen Erziehungsproblemen stehen. Einkoten und Einnässen ist nicht nur peinlich für die betroffenen Kinder. Nicht selten kommen Eltern mit dem Schuldgefühl zur Therapie, dass sie am Auftreten des Problems verantwortlich sind. Sie sehen sich zum Teil als Mitverursacher. Beim therapeutischen Vorgehen handelt es sich vorwiegend um ein funktional orientiertes Behandlungskonzept. Dabei werden die Maßnahmen und das Vorgehen an folgenden Überlegungen ausgerichtet:
- den persönlichen Merkmalen des einkotenden Kindes
- seiner Familie, sowie
- den Charakteristika des Einkotverhaltens
In der Behandlung kommen neben familienzentrierten, spieltherapeutischen Maßnahmen verhaltenstherapeutische, funktionsspezifische Ansätze zum Tragen. Vor der Therapie wird eine diagnostische Phase der Behandlung vorgeschalten. Diese besteht aus folgenden Erhebungen:
- Elternfragebögen zum Einkoten
- Erhebung zur Einstellung der Eltern zum Einkoten
- Anamneseerhebung
- Entwicklungs- und lebensgeschichtliche Untersuchungen mit den Eltern und dem Kind
Bei einer monosymptomatischen Form der Enkopresis mit nur geringer bis mäßiger emotionaler Symptomatik und bei guter Kooperation der Eltern und des Kindes ist eine ambulante Therapie häufig ausreichend. Bei ausgeprägtem Schweregrad, erheblicher psychiatrischer Komorbidität und/oder eingeschränkten Ressourcen im familiären Milieu ist teil- bzw. vollstationäre Therapie initial zu bevorzugen. Sollte eine ambulante Therapie nach 3 Monaten keine Erfolge zeigen, dann ist auch bei weniger schwerwiegender Ausprägung eine teil- bzw. vollstationäre Therapie zu empfehlen. Die Behandlungsformen der primären und der sekundären Enkopresis unterscheiden sich nicht. In bezug auf die Komorbidität ist zu bedenken, daß bei Vorliegen eines Hyperkinetischen Syndroms zunächst dieses gezielt behandelt werden sollte, um die Grundlage für eine wirksame Therapie der Enkopresis zu schaffen, das gleiche gilt beim Vorliegen einer Angst- und/oder Zwangsstörung. Liegt eine Sozialisationsstörung vor, dann sollten sowohl die Enkopresis als auch die Sozialisationsstörung parallel behandelt werden. Bei Komorbidität mit Enuresis sollten ebenfalls beide Störungsbilder gleichzeitig therapeutisch angegangen werden.
Bewährt hat sich ein gestuftes Vorgehen:
Stufe 1:
Eine Reduktion der psychischen Belastung, die das Symptom in der Familie hervorgerufen hat. Beratung der Eltern, Aufklärung über die Besonderheiten der Erkrankung mit Entängstigung und Reduktion von Schuld und Schamgefühlen bei Kindern und Eltern, insbesondere bei den betroffenen Kindern ist dies oft nur in einem kognitiv-psychotherapeutischen Setting möglich. In diesem Zusammenhang muß das betroffene Kind ein Gefühl dafür entwickeln, daß es an einer Krankheit leidet, die der unmittelbaren Willenskontrolle nicht zugänglich ist, die aber durch aktive Trainingsmaßnahmen beherrschbar werden kann. Die betroffenen Kinder sollten im Laufe der Behandlung lernen, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen und im Rahmen des therapeutischen Settings zunehmend eigenverantwortlich und selbständig zu handeln, zum Beispiel eigenverantwortliches Einhalten des Toilettentrainings, Auswaschen der verschmutzten Wäsche, hygienische Maßnahmen.
Stufe 2:
Psychotherapeutische Maßnahmen zur Reduktion der emotionalen Belastung, ggf. unterstützt durch die Gabe von Thymoleptika. Hierbei muß bedacht werden, daß trizyklische Substanzen häufig eine Obstipation hervorrufen, die die Symptomatik der Enkopresis noch weiter akzentuieren kann. Parallel hierzu ein verhaltenstherapeutisches Programm („Toiletten Training“): Regelmäßiger Gang zur Toilette nach den Mahlzeiten, Dauer mindestens 5 Minuten, auch wenn kein Stuhldrang verspürt wird. Achten auf entspanntes Sitzen auf der Toilette (bequemer, fester WC-Sitz, Abstützen der Füße evtl. durch ein Fußbänkchen, um damit entspanntes Sitzen ohne Verspannung des Beckenbodens zu ermöglichen). Positives Besetzen der Situation, Lektüre darf mitgenommen werden.
Kontingente Verstärkung des Einhaltens des Toilettentrainings durch Lob und Zuwendung, zusätzlicher Verstärkereinsatz, wenn Stuhl in die Toilette abgesetzt wird wie gemeinsames Spiel, gemeinsame Tätigkeiten. Abführende Maßnahmen sollen das Absetzen des Stuhles erleichtern, dabei wird zunächst Natriummono- /dihydrogenphosphat- Klistier, wie zum Beispiel PractoClyss®, oder Abführzäpfchen mit Bisacodyl wie Dulcolax® gegeben und wenn das nicht ausreichend ist, dann kann die Gabe von Movicol®-Lösung etwas weiter Helfen, da die Volumenbelastung zur Einschränkung von Perzeption, Muskeldruck, Peristaltik und Koordination führen kann. Bei eindeutigem Vorliegen einer Obstipation 2 – 3mal pro Woche abführende Maßnahmen, unterstützt mit peristaltikanregenden Substanzen wie zum Beispiel Bisacodyl.
Stufe 3:
Führen die oben aufgeführten Maßnahmen nach 6 – 8 Wochen Therapie nicht zu einem Erfolg, sollte die Behandlung durch zusätzliche Interventionen intensiviert werden. Intensivierung der Einzelpsychotherapie wie Bewußtmachen von häufig vorkommenden gehemmt-aggressiven Impulsen, Vermittlung von adäquatem Lösungsverhalten bei Konflikten im Alltag. Intensivierung des Elterntrainings wie Korrektur in der pädagogischen und emotionalen Beziehung zum Kind, Stärkung der Möglichkeit der Eltern, die therapeutischen Maßnahmen zu unterstützen. Beckenbodengymnastik auf neurophysiologischer Grundlage zur Erhöhung der Sensibilität des Kindes für körperliche Vorgänge und Besserung der muskulären Koordination.
Stufe 4:
Kommt es nach weiteren 4 – 6 Wochen nicht zu einer Verbesserung der Symptomatik, sollte, ergänzend zu den oben aufgeführten weiterhin praktizierten Behandlungsansätzen, mit übenden Verfahren, zum Teil mittels Feedback, begonnen werden. Perzeptionstraining zur Verbesserung der Reizwahrnehmung, Koordinationsübungen zum Erlernen der Relaxation des Sphinkter externus, Steigerung der Kontraktionskraft und der aktiven Erschlaffung. Liegen sphinktermanometrisch gesicherte erniedrigte Druckwerte vor, kann Elektrostimulation hilfreich sein.
Stufe 5:
Führen die oben angeführten Behandlungsansätze nicht nach weiteren 4 – 6 Wochen zu einem Erfolg, sollte eine teilstationäre oder vollstationäre Therapie erwogen werden.
Besonderheiten bei der Behandlung
bei ambulanter Behandlung
Voraussetzungen für eine ambulante Behandlung sind eine ausreichende Therapiebereitschaft des Kindes, eine gute Kompetenz der Eltern und eine zufriedenstellende Compliance. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dann besteht eine Hoffnung auf eine erfolgreiche Behandlung des Kindes.
bei teilstationärer Behandlung
Nach den vorhandenen Möglichkeiten muß entschieden werden, ob eine teilstationäre Behandlung durchgeführt werden kann. Determinierende Faktoren hierbei sind kurze Wege zwischen Elternhaus und Klinik, Einnahme aller Hauptmahlzeiten in der Tagesklinik, Verfügbarkeit der empfohlenen therapeutischen Möglichkeiten wie Physiotherapie, Feedback-Training. Es besteht ein unterstützendes therapeutisches Milieu, insbesondere im Hinblick auf die sozialen Folgen wie Hänseleien. Durch das integrierte Stuhlprogramm können intensive therapeutische Maßnahmen wie ein Toilettentraining auch am Vormittag durchgeführt werden.
bei stationärer Behandlung
Prinzipiell gild gleiches Vorgehen wie bei der ambulanten Behandlung, jedoch intensiviertes Toilettentraining, alle 2 Stunden mit kontingenter Verstärkung, professioneller Unterstützung durch erfahrene und speziell geschulte Mitarbeiter im Pflege- und Erziehungsdienst. Soziotherapeutische Maßnahmen durch das sozialtherapeutische Setting der Station mit Verbesserung der sozialen Kompetenz und verstärkter Selbstversorgung. Entspannung der Eltern-Kind-Beziehung durch Entlastung und gezielte familientherapeutische Maßnahmen.
Jugendhilfemaßnahmen und Rehabilitationsmaßnahmen
Jugendhilfemaßnahmen können bei schwerwiegenden Belastungen im Umfeld des Kindes wie zum Beispiel bei Erkrankungen der Eltern, unzureichende Wohnverhältnisse oder unzureichende elterliche Aufsicht in Frage kommen.
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