operative Behandlungsmethoden bei Harninkontinenz
 
operative Behandlungsmethoden

Nicht nur konservative Möglichkeiten zur Behandlung einer Harninkontinenz stehen zur Verfügung, sondern auch eine ganze Reihe von operativen Methoden. Diese Art der Inkontinenzbehandlung sollte aber wirklich die letzte Möglichkeit bleiben, wenn alles andere keinen Erfolg gezeigt hat. Dabei sind die operativen Möglichkeiten bei einer Stressinkontinenz höher als bei anderen Inkontinenzformen. Besonders Frauen nach Geburten leiden unter Stressinkontinenz und da bringt eine Operation doch oft den gewünschten Erfolg der Kontinenz. Aber auch bei Dranginkontinenz und Reflexinkontinenz gibt es Heute vielversprechende Möglichkeiten, eine Linderung des Leidens zu erhalten, wenngleich eine Heilung hier wesentlich seltener ist.
Zu den operativen Methoden zur Behandlung einer Stressinkontinenz gehören folgende Operationen:
  • Die transvaginale Schlingensuspension
  • transvaginalen retropubischen Nadelsuspension
  • TVT - Tension-free Vaginal Tape
  • Submukösen Kollageninjektion (ESKI)
Zu den operativen Methoden zur Behandlung einer neurologisch bedingten Inkontinenz, aber auch bei Blasenkrebs und Spina Bifida gehören folgende Operationen:
  • Ureterosigmoideostomie (Harnleiter-Darm-Implatation, HDI)
  • Der Mainz-Pouch I
  • Die Neoblase
  • Neurostimulator
  • künstlicher Schließmuskel
Bei Drang- und Überlaufinkontinenz aber auch bei Restharnbildung wegen einer Ablaufbehinderung durch eine Prostatavergrößerung haben sich folgende Operationen bewährt:
  • transurethrale Sphinkterotomie
  • Ileozystoplastik oder Blasenaugmentation

Schlingensuspensionen

Schlingensuspensionen von Blasenhals und Harnröhre gehören, insbesondere in Form der operationstechnisch aufwendigen Faszienzügelplastik, zu den Operationsverfahren bei Stressinkontinenz der Frau, welche zu den besten Langzeitergebnissen führen, wenn keine ausgeprägte Zysto-Urethrozele oder gar ein Prolaps vorliegt. Bei ausgeprägter Zysto-Urethrozele sollte eine Schlingensuspensionen stets mit einer Scheidenplastik (Kolporrhaphie) kombiniert werden.
Faszienzügelplastik
Faszienzügelplastiken haben den großen Vorteil, dass autoplastisches Gewebe verwendet wird, sei es als gestielter Faszienstreifen aus der vorderen Rectuscheide, welcher von unilateral retropubisch um Blasenhals und hintere Harnröhre gelegt und kontralateral retropubisch hochgezogen und an der Abdominalwand fixiert wird, dazu können zum Beispiel bilaterale Faszienstreifen aus den Externusaponeurosen rechts und links verwendet werden, welche man in der Technik nach Narik und Palmrich sowie Petri et al. bilateral retropubisch herunterleitet, hinter Blasenhals und Harnröhre vernäht werden, oder als freies Transplantat eines Streifens von der Fascia lata um die Harnröhre gelegt und retropubisch fixiert werden. Durch die Verwendung autoplastischen Gewebes besteht ein nur minimales Infektionsrisiko; auch ist die Vernarbung gering, so dass eine operative Revision (Urethrolyse) möglich ist; selbst die potentiell mögliche Penetration einer Faszienschlinge in die Harnröhre führt nicht zu katastrophalen Folgen, da das autoplastische Gewebe jederzeit endoskopischtransurethral reseziert werden kann und reepithelialisiert. Allerdings ist der operative Aufwand einer Faszienzügelplastik gegenüber der Verwendung konservierter organischer oder frei verfügbarer anorganischer Schlingen beträchtlich größer, da die Transplantate, seien sie gestielt oder frei, erst durch einen gesonderten Zugang gewonnen werden müssen.

Homo- und heterologe Schlingen
Homo- (lyophilisierte Dura, kryokonservierte Faszienstreifen, Kollagenschlingen) und heterologer (lyophylisierte Schweinehaut, bovine oder porcine Kollagenstreifen) Schlingen haben gegenüber den anorganischen Schlingen den Vorteil, dass sie im allgemeinen gut einheilen, nur selten die Harnröhrenwand arrodieren und dann endoskopisch abgetragen werden können, und im Langzeitverlauf mehr oder weniger resorbiert werden, so dass nur eine fibrotische Narbenplatte zurückbleibt, welche Blasenhals und Harnröhre retropubisch fixiert. Solche konservierte organische Gewebe haben auch den Vorteil, dass sie ähnlich wie alloplastische (anorganische) Schlingen auf Lager gehalten werden und somit für den operativen Einsatz jederzeit zur Verfügung stehen können. Im Gegensatz zu den Schlingen aus anorganischen Geweben ”Netze” müssen solche organischen Gewebsstreifen suprapubisch fixiert werden, da sie aufgrund ihrer glatten Oberfläche nicht primär in ihrem Bett haften, sondern bei körperlicher Belastung in der frühen postoperativen Phase ihre Lage verändern können.

Alloplastische (anorganische) Schlingen
Schlingen aus alloplastischen (anorganischen) Geweben haben auch die wesentlichen Vorteile, dass jederzeit zur Verfügung stehen, da sie auf Lager gehalten werden, dass sie individuell angepasst werden können, da sie in unterschiedlichen Größen und Formen angeboten werden, und dass sie nur einen relativ geringen operativen Aufwand erfordern. Es war das große Verdienst von Zoedler, der mit der Kreation einer Suspensionsplastik unter Verwendung eines präformierten monophilen Netzbandes aus Polyester der Forderung Rechnung getragen hat, operative Rekonstruktionen von Blasenhals und Harnröhre vornehmen zu können, unabhängig davon, welche und wie viele Voroperationen vorgenommen worden waren. Die Blasenhalssupension mittels Zoedler-Band war fast zwei Jahrzehnte ”Goldener Standart” in der Hand erfahrener Operateure, bis sich die Berichte über gravierende Spätkomplikationen häuften, die sogar den Blasenverlust mit der Notwendigkeit der Harnumleitung zur Folge hatten. Arrosion der Harnröhrenwand mit Penetration des Kunststoffnetzes in das Lumen, Infektion und Steinbildung waren neben suboptimaler Platzierung und insuffizienter Spannung des Zügelbandes, welche entweder zur Harnretention oder aber zur Inkontinenz-Persistenz führten, die wichtigsten Komplikationen. Revisions-Operationen zur Entfernung des Polyester-Netzes waren außerordentlich mühsam und gelangen in vielen Fällen nur unvollkommen oder unter Hinterlassung großer Defekte an der Harnröhre, unter Umständen sogar mit Fistelbildung.

Nadelsuspensionen

Nach der Erstbeschreibung durch Pereyra war dieses Verfahren der transvaginalen retropubischen Nadelsuspension unter endoskopischer Kontrolle zunächst in Vergessenheit geraten, bis in den 70-er Jahren zunächst Stamey, später dann Raz und andere Autoren diese Technik wieder aufgegriffen und weiterentwickelt haben. Zweifellos sind die verschiedenen Methoden der transvaginalen retropubischen Nadelsuspension operationstechnisch relativ einfach, für die Patientinnen wenig belastend und mit nur wenigen perioperativen Komplikationen belastet. Darüber hinaus bieten sie den großen Vorteil, dass bei eventuell auftretenden Spätkomplikationen oder bei Inkontinenz-Rezidiv die Susupensionsfäden jederzeit entfernt und eine andere Operationsmethode zur Sicherung der Harnkontinenz eingesetzt werden kann.
Im Gegensatz zu den von Stamey berichteten optimistischen Frühergebnissen mit Heilungsquoten von mehr als 90% sind die Langzeitergebnisse bei einer 10 Jahres-Heilung von 6-10% ausgesprochen schlecht, sodass diese Verfahren von vielen Autoren heute abgelehnt werden. Demgegenüber sehen wir durchaus noch Indikationen für den Einsatz einer Nadelsuspension. Wir geben aber unter Berücksichtigung besonderer Voraussetzungen, keine ausgeprägte Zysto-Urethrozele, mäßiggradige, aber belastende Stress-Inkontinenz, junge Frauen, die noch gebären wollen, oder ältere Frauen mit erhöhtem Operationsrisiko, dann der Technik nach Raz den Vorzug, welche operationstechnisch wesentlich aufwendiger, für die Patientinnen aber sicherlich nicht mehr belastend ist.

Technik der Nadelsuspensionen
Bei der Technik nach Raz wird zunächst von einer vaginalen Inzision aus der paraurethrale Raum rechts und links retrosymphysär präpariert, die Suspensionsfäden werden wendelförmig mehrfach an Blasenhals und hinterer Harnröhre rechts und links eingestochen und anschließend mittels einer Suspensionsnadel suprapubisch herausgeleitet; anschließend werden die korrespondierenden Fäden von rechts und links über dem M. rectus abdominis unter endoskopischer Kontrolle so geknüpft, dass der Blasenhals gut suspendiert wird. Dieses Verfahren erfordert, wie die meisten Operationstechniken, ausreichende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten des Operateurs, hier speziell in der Chirurgie von Blasenhals und Harnröhre. Durch den Verzicht auf alloplastische und xenoplastische Materialien – mit Ausnahme der monofilen Suspensionsfäden aus Polypropylen ist das Infektionsrisiko vernachlässigbar gering.

Langzeitergebnisse
Die Langzeitergebnisse allerdings auch recht unbefriedigend, Erfolgsquote nach 5 Jahren ~50%, eigene Ergebnisse. Die Ursache für die Rezidivrate liegt zum einen in den sich progredient lockernden Gewebsstrukturen, zum anderen müssen aber auch individuelle Faktoren der Frauen (Adipositas!) verantwortlich gemacht werden.

TVT - "Tension-free Vaginal Tape"

Wer unter Harninkontinenz leidet und wenn sich im Rahmen der weiteren Abklärung mittes urogynäkologischer Diagnostik und urodynamischer Messung herausstellt, daß diesem Urinverlust eine Stressinkontinenz zu Grunde liegt, ist eine operative Therapie möglich. Neben den bislang etablierten Operationsverfahren, wie den Kolposuspensionen (z.B. Operation nach Burch) oder den Nadelsuspensionen (z.B. Operation nach Pereyra) findet eine relativ neue Operationsmethode, die "TVT-Operation", zunehmend weite Verbreitung. Diese Operationsmethode wurde von Prof. Ulmsten an der Universität in Uppsala, Schweden, entwickelt und erstmalig 1995 vorgestellt.

Hintergrund des Wirkungsmechanismus der Operation liegt in der urodynamisch nachgewiesenen Wichtigkeit der im Bereich der mittleren bis äußeren Harnröhre gelegenen Bandsrukturen für die Erhaltung der Harnkontinenz. Ist es im Rahmen der Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur durch schwere körperliche Arbeit, vorausgegangene Geburten zur Lockerung bzw. Zerreißen dieser Bandstrukturen gekommen, resultiert dadurch ein unwillkürlicher Urinverlust, eine Stressinkontinenz. Daher liegt es hier nahe, diese defekten Bandstrukturen operativ zu ersetzen. Dies geschieht im Rahmen dieser Operation durch das Einbringen eines Netzbandes von der Scheidenvorderwand ausgehend seitlich an der Harnröhre vorbei bis zur Bauchwand. Dadurch wird die Harnröhre im äußeren Drittel von dem spannungsfrei eingebrachten Netzband ("Tension-free Vaginal Tape") entsprechend der ersetzten Bandstrukturen hängemattenartig umfasst, kann dadurch wieder einen ausreichenden Harnröhrenverschlußmechanismus bilden und somit die Kontinenz wieder herstellen.
Welche Vorteile bietet diese Operationsmethode der Patientin?

Gute Heilungsraten durch die TVT-Operation
In der internationalen Literatur komplette Heilungsrate bei etwa 85 - 95% der Patientinnen, deutliche Besserung bei etwa 10 - 15% der Patientinnen, nur etwa in 2 - 5% der Fälle erfolglos. In diesen letzteren Fällen wäre die Operation durch TVT wiederholbar, auch andere Inkontinenzoperationen sind nach TVT-Operationen uneingeschränkt durchführbar.

Gute Kombinierbarkeit anderer vaginaler Operationen mit TVT
Die TVT-Operation kann als alleinige operative Therapie bei nachgewiesener Stressinkontinenz durchgeführt werden, kann aber auch sehr gut mit anderen eventuell erforderlichen Operationen, wie zum Beispiel der gleichzeitigen Entfernung der Gebärmutter, Korrektur einer Blasensenkung o.ä. kombiniert werden.

Kurzer Krankenhausaufenthalt
Da es sich um eine minimal-invasive Operationstechnik handelt, bei der kein eigentlicher Bauchschnitt erforderlich ist, da von der Scheide aus operiert wird und die Bauchhöhle nicht eröffnet wird, beträgt der stationäre Aufenthalt nur wenige Tage.

Keine Vollnarkose erforderlich
Dieser Eingriff wird entweder in lokaler Betäubung oder aber meist, da für die Patientin angenehmer, in Regionalanästhesie (z.B. Spinalanästhesie oder Peridualanästhesie) durchgeführt, da die wache und schmerzfreie Patientin durch ein Hustenmanöver in der Operation entscheidend dazu beiträgt, das Netzband exakt unter der Harnröhre anzuspannen.

Ein eng umhülltes Polypropylen-Netzband, das an beiden Enden mit einer Führungsnadel versehen ist, wird durch einen etwa 1,5 Zentimeter großen Einschnitt in der vorderen Scheidenwand U-förmig um die Harnröhre plaziert. Die beiden Enden des Bandes werden nacheinander rechts und links seitlich hinter den Schambeinästen vorbei bis zur Bauchdecke und dort durch zwei kleine, bereits vorbereitete abdominale Inzisionen, nach außen geführt. Die Inzisionen liegen etwa zwei bis drei Zentimeter bilateral der Mittellinie und knapp oberhalb der Symphyse. Eine am Nadelende befestigbare Einführhilfe erleichtert die Manipulation. Um iatrogene Verletzungen der Blase sofort zu erkennen, sind peri- und postinterventionelle zystoskopische Kontrolluntersuchungen notwendig.

Nachdem das noch umhüllte Band regelrecht gelegt ist, wird die Patientin bei gefüllter Blase aufgefordert zu husten, was inkontinenzbedingt einen schwallartigen Urinabgang bewirkt. Mit vorsichtigem Zug an beiden Enden des die mittlere Harnröhre U-förmig umschlingenden und durch die Bauchdecke ragenden Netzbandes strafft der Operateur dieses nun gerade so weit, daß unter Hustenprovokation trotz gefüllter Blase nur noch ein kleiner Tropfen Urin abgeht. Dies bedeutet, daß Harnröhre und Blasenhals unter Belastung nun kontinenzgerecht gestützt werden. Jetzt wird die Schutzhülle entfernt. Dabei entfaltet sich das Netzband und wird nun allein durch Adhäsionskräfte sicher in seiner justierten Lage fixiert. Daher sind keine zusätzlichen Verankerungen nötig. Die beiden Bandenden werden nun subkutan gekappt und die zwei kleinen Inzisionen in der Bauchdecke sowie der Vaginalwandschnitt vernäht. Im Verlauf der folgenden Monate wird das Implantat von körpereigenem Bindegewebe durchwuchert. Abstoßungsreaktionen kamen bislang nicht vor.

Kein Blasenkatheter nach der Operation erforderlich
Durch den Verzicht auf eine Vollnarkose und die geringe operative Belastung ist es der Patientin bei alleinigen TVT-Operationen in aller Regel möglich, wenige Stunden nach dem Eingriff aufzustehen und spontan wasserzulassen.

Geringe Komplikationsrate der TVT-Operation
Akute Komplikationen sind selten. Mit einer Prävalenz von fünf Prozent stehen dabei Blasenperforationen durch die Führungsnadel im Vordergrund, wobei solche Verletzungen üblicherweise unproblematisch sind. Der wesentliche Nachteil des Verfahrens ist möglicherweise ein hohes Risiko von Verletzungen umliegenden Gewebes, sowie der Notwendigkeit, diesen Bandaufhängungsmechanismus durch die Bauchdecken führen zu müssen, das zu Verletzungsmöglichkeiten der Blase, des Harnleiters, der Gefäße und andere umliegende Gewebe führen kann.

Langfristiger Erfolg
Mit dem Erfolg der Intervention, die auch ambulant erfolgen kann, ist bereits wenige Stunden nach dem Eingriff zu rechnen. Bei etwa 85 Prozent der Patientinnen werde die Belastungs-Inkontinenz vollständig beseitigt und bei weiteren zehn Prozent deutlich gebessert. Fünf-Jahres-Daten von mehreren hundert Frauen belegten, daß diese Erfolgsraten auch langfristig erhalten bleiben. Wie Gut die Erfolgsraten nun tatsächlich über einen längeren Zeitraum sind, das muß erst noch in Studien ermittelt werden.

Submukösen Kollageninjektion (ESKI)

Effektive Behandlungsmaßnahmen der Harninkontinenz aufgrund einer Inkompetenz des Blasenhalses oder äußeren Harnröhrensphinktermechanismus sind bei Patienten mit einer neurogenen Funktionsstörung des unteren Harntraktes äußerst begrenzt und erfordern häufig eine kombinierte Vorgehensweise. Letztendlich erscheint die Implantation eines artifiziellen Harnröhrensphinkters in speziellen Fällen noch als das aussichtsreichste Verfahren. Allerdings ist bei dieser Patientenklientel die Inzidenz an Komplikationen deutlicher höher. Die endoskopische submuköse Injektionsbehandlung von biodegradierbarem Rinderkollagen (ESKI) stellt ein einfaches, minimal invasives und wiederholbares Verfahren dar, welches somit eine nützliche Alternative für Patienten sein könnte, bei denen offen operative Maßnahmen nicht möglich sind. Für die intrinsische Sphinkterinsuffizienz werden 1- und 5-Jahres Erfolgsraten von über 70% bzw. 20% berichtet. Die kurzfristigen Erfolge nach radikaler Prostatektomie liegen zwischen 58% bis 85%. Die Erfahrungen mit der Kollagenbehandlung der neurogenen Inkontinenz sind allerdings sehr limitiert.
Material und Methoden
Die submuköse Injektion von gewebsfreundlichen, nicht resorbierbaren Substanzen (Fett, Teflon, Kollagen, Macroplastique, Carbon etc.) an Blasenhals und hinterer Harnröhre hat das Ziel, den klaffenden urethralen Verschlussapparat von außen zu komprimieren. In den letzten 10 Jahren wurden Männer und Frauen mit neurogen bedingter Harninkontinenz, aufgrund einer kompletten oder inkompletten Paraplegie mittels ESKI Kollagen im Blasenhals, im Bereich des äußeren Harnröhrensphinkters oder kombiniert behandelt, um eine urethrale Koaptation der Schleimhaut und damit Erhöhung des Blasenauslaßwiderstandes zu erzielen. Jeweils zwei Injektionen bei 3 und 9 Uhr Position, in einigen Fällen eine 3. Injektion in der 12 Uhr Position werden vorgenommen. Das injizierte Kollagenvolumen beträgt dabei etwa 6ml 1-9ml. Die Behandlungsergebnisse werden mit prae- und postoperativen klinischen und urodynamischen Daten korreliert.

Ergebnisse
Eine vollständige Kontinenz und Verbesserung der Inkontinenz (Grad I) konnte nach einmaliger ESKI nur in 16% (Männer) und 44% (Frauen) der Fälle erzielt werden, nach einer zweiten und dritten Behandlung in 5% / 69% bzw. 16% / 44%. Die urodynamischen Parameter (maximale Blasenkapazität, Compliance, maximaler Detrusordruck während der Entleerung, Leak Point-Volumen, Restharn) veränderten sich nicht wesentlich, abgesehen von einem zu erwartenden Anstieg des Restharnes, eine Detrusorinstabilität wurde nicht beobachtet. Vorübergehend kann es bei einigen Patienten zur Entwicklung eines vesikoureteralen Refluxes, welcher keiner spezifischen Intervention bedarf, kommen.

Langzeit-Ergebnisse
Die Langzeit-Ergebnisse der ESKI zur Behandlung der neurogenen Harninkontinenz sind enttäuschend. Einen negativen Einfluß könnte hierbei auch die hohe Rate von 50% an Voroperationen des unteren Harntraktes haben. Nach einer Zeit von weniger als zwei Jahren waren nur 12 % der Patienten kontinent und 20% verbessert (IK Grad I). Die Zeit bis zum Rezidiv ist wesentlich kürzer als bei nicht neurogener Inkontinenz. 76% der Rezidive traten bereits nach 3 Monaten postoperativ ein. Ein zweite Injektionsbehandlung führt zu einer temporären Verbesserungen, häufigere Behandlungen sind nicht effektiv. Möglicherweise sollten bei neurogener Inkontinenz größere Kollagenvolumen von etwa 9-12 ml injiziert werden wie bei der intrinsischen Sphinkterinkompetenz. Auch der von einigen Patienten unmittelbar postoperativ fortgeführte Katheterismus könnte ein vorzeitiges Schrumpfen der Kollagendepots begünstigt haben. Kollageninjektionen zur Behandlung der neurogen bedingten Harninkontinenz führen zu enttäuschenden Ergebnissen. Die ESKI sollte daher nur bei leichtgradiger Inkontinenz oder bei Patienten, die anderen Inkontinenzoperationen nicht zugeführt werden können, eingesetzt werden.

Behandlung der Stressinkontinenz mit Zuidex® Implacement

Die Implacement-Therapie ist ein einfaches minimalinvasives Verfahren zur Behandlung der Stressinkontinenz bei weiblichen Patienten. Es handelt sich um eine reaktive periurethrale Gewebsverfestigung mittels Injektion von Mikropartikeln in einer Hyaluronsäurematrix in die Urethra. Vier mit Dextranomer/Hyaluronsäure-Copolymer-Gel gefüllte Spritzen werden mittels eines Implacer submukös in die Urethra injiziert. Es wird eine Unterfütterung des Gewebes und somit die Linderung oder Beseitigung der Inkontinenz bewirkt.Die Haltbarkeit des Implantats beträgt ungefähr vier Jahre. Zuidex® besteht aus reiner, Nicht-Animalischer und Stabilisierter Hyaluronsäure oder kurz NASHA. Das Rohmaterial für NASHA wird biosynthetisch hergestellt und zeichnet sich somit durch eine hohe Reinheit und hervorragende Verträglichkeit aus. Durch die Stabilisierung der Hyaluronsäure entsteht eine dreidimensionale Struktur - ein Gel - das in jede beliebige Form gebracht werden kann.

Vorbereitung der Patientin
Die Behandlung mit dem Zuidex® Implacement ist ein relativ einfaches und für die Patientin wenig belastendes Verfahren, das nur etwa 15 bis 30 Minuten dauert. Zur Behandlung wird die Patientin wie für eine normale Zystoskopie vorbereitet und in Steinschnittlage auf dem gynäkologischen Untersuchungsstuhl gelagert.

Vorbereitung des Zuidex® Implacement
Zunächst wird das Implacer-Set ausgepackt und auf eine sterile Unterlage gelegt. Danach wird der Zuidex® Implacer zusammengebaut und da geht folgendermaßen:
  • Griffstück in die linke Hand nehmen
  • Einführen des Schutzmantels und arretieren durch leichtes Drehen ähnlich wie bei einem Bajonettverschluß
  • anschließend zurückziehen des Schutzmantels bis zum Anschlag
  • Einbringen und Arretieren der Spritzen
  • Vorschieben des Schutzmantels bis zum Anschlag

Anästhesie
In der Regel ist eine Lokalanästhesie der weiblichen Harnröhre zum Beispiel mit Xylocain-Gel® ausreichend, ansonsten kann die Behandlung auch in Lokal- oder Regionalanästhesie bzw. Allgemeinnarkose erfolgen. Es sollte aber immer zuerst mit einer Lokalanästhesie versucht werden, da es für die Patientin deutlich weniger Komplikationen bedeutet. Nur in seltenen Fällen muß die Behandlung wirklich Allgemeinnarkose durchgeführt werden.

Implantation
Nach erfolgter Anästhesie der Patientin kann mit der Implantation gegonnen werden. Zunächst folgt die Einlage eines Dauerkatheters, der mit NaCL- Lösung geblockt wird. Der Dauerkatheter wird bis zum Blasenhals zurückgezogen und die Harnblase entleert. Jetzt wird der Katheters am Ostium urethrae externum markiert und wieder entblockt. Die Länge der Urethra von der Unterkante des Dauerkatheterballons bis zur Markierung wird damit bestimmt. Die Injektionsstellen befinden sich im mittleren Bereich der Urethra. Um die genaue Position der Injektionsstellen zu bestimmen, wird die Urethralängenmessung wie folgt berechnet: "Urethralänge / 2 = Mittlere Urethradrittel". Das Zuidex® Implacement wird nun in die Harnröhre bis zur vorgesehenen Position eingeführt. Durch zurückziehen des Führungsrohres bis zum Anschlag, um die Nadeln innerhalb der Urethra freizugeben. Die Nadeln befinden sich jetzt ungefähr im mittleren Bereich der Urethra.Der Griff des Implacers wird nun festgehalten und eine der Spritzen 5 – 10 mm zurückgezogen. Diese wird anschließend bis zum Anschlag nach vorne gedrückt, um die Schleimhaut zu perforieren. Der Inhalt dieser Spritze wird nun injiziert. Die leere Spritze verbleibt noch vor Ort. Dieser Vorgang wird mit den weiteren drei Spritzen im Uhrzeigersinn vorgehend wiederholt. Nun werden die Spritzen nacheinander entfernt, danach wird der Zuidex® Implacer wieder aus der Harnröher entfernt. Damit ist diese Behandlung abgeschlossen.

Nachsorge
Im Anschluß an diese Therapie wird eine Antibiotikaprophylaxe empfohlen. Außerdem sollte die Patientin nach der Behandlung noch einige Stunden Ruhen. Es muß auch sichergestellt werden, dass die Patientin vor ihrer Entlassung die Blase selbstständig entleeren kann. Die Komplikationsrate ist sehr gering und falls das Behandlungsergebnis dieser Sitzung nicht zufriedenstellend war, kann die Implantation etwa sechs Wochen nach der Erstbehandlung erneut durchgeführt werden. Da die Behandlung mit NASHA relativ neu ist, stehen noch keine Langzeitergebnisse zur Verfügung, aber erste Ergebnisse deuten auf eine gute Verträglichkeit hin. Wenn die vom Hersteller angegebene Haltbarkeit des Implantats auch erreicht wird, dann stellt diese Methode durchaus eine sinnvolle Alternative zu anderen Behandlungsformen einer leichten bis mittleren Stressinkontinenz bei weiblichen Patienten dar.

Ureterosigmoideostomie und Ersatzblase mit Bauchdeckenanschluß (Pouch)

Die Ureterosigmoideostomie (Harnleiter-Darm-Implatation, HDI) und die Bauchnabelblase (Mainz-Pouch I) stellen eine alternative zum Urostoma dar. Bei Indikationen wie Blasenkrebs, chronische Blasenentzündungen, interstitielle Zystitis (Blasenentzündung ohne Erregernachweis) oder die neurogene Blasenentleerungsstörung (Fehlsteuerung der Blase durch Nervenschädigung)und Spina bifida wird dieses Verfahren gerne eingesetzt.
Bei der Ureterosigmoideostomie wird der Harn im Körper umgeleitet. Dazu werden die Harnleiter retroperitoneal und transmesenterial in die Hinterfläche des Sigmas antirefluxiv implantiert; ein Reflux von Urin oder Stuhl mit nachfolgender Pyelonephritis wird so vermieden. Urin und Stuhl werden zusammen entleert. Der Analsphinkter gewährleistet Kontinenz. Allerdings kann in Einzelfällen die Entleerungsfrequenz sehr hoch sein. Diesen Nachteil versucht man in der Technik des sogenannten Mainz-Pauch I zu vermeiden. Dabei wird die Sigmaschleife antimesenterial, longitudinal eröffnet und zum Niederdruckreservoir geschlossen. Zwei Vorraussetzungen müssen bei allen Operationen mit Ableitung des Urin in den nicht isolierten Enddarm erfüllt sein. Der Patient muß Probeeinläufe vor der Operation über Stunden halten können. Die Nierenfunktion darf nicht eingeschränkt sein, da sonst die im Dickdarm resorbierten Urinbestandteile zu Azidose und ansteigende Serumkreatininwerten führen.

Der Pouch - die kontinente Alternative

Warum werden bei der Frau Gebärmutter und Eierstöcke mitentfernt?
Gebärmutter, Eierstöcke und die Scheide liegen in unmittelbarer Nähe der erkrankten Blase. Da bei der kompletten Blasenentfernung die vordere Scheidenwand teilweise entfernt werden muß, ist ein Erhalt der Gebärmutter sehr schwierig. Darüber hinaus kommt es aus diesem Grund auch zu einer Scheidenverkleinerung. Der Geschlechtsverkehr ist jedoch in den meisten Fällen weiterhin möglich. Die Eierstöcke hängen seitlich an der Gebärmutter. Da die Eierstöcke nach Eintreten der Wechseljahre im Regelfall entbehrlich sind und auch ein nicht unbeträchtliches Krebsrisiko tragen, werden diese meistens auch mitentfernt.

Warum müssen beim Mann Prostata und Samenblasen zusätzlich zur Harnblase mit entfernt werden?
Eine Ersatzblase mit Bauchdeckenanschluß wird beim Mann meist dann nötig, wenn der Blasentumor sich in die Harnröhre ausgedehnt hat. In diesem Fall muß auch die Harnröhre mit entfernt werden und die Ersatzblase kann nicht an sie angeschlossen werden, wie es sonst angestrebt wird. Da die Prostata den Harnröhrenanfang umschließt, wächst der Tumor bei Befall der Harnröhre zwangsläufig auch in die Prostata ein. Um die Heilungschancen zu wahren, müssen Harnröhre, Prostata und die anhängenden Samenblasen entfernt werden. Dies führt zum Verlust des Samenergusses und der Fruchtbarkeit. Häufig kommt es dabei auch zu einem Verlust der Gliedsteife, da bei der Operation eine Schädigung der hierfür zuständigen Nerven hinter der Prostata oft nicht vermieden werden kann.

Wie wird eine Ersatzblase hergestellt?
Der menschliche Magen- Darm- Kanal ist mit einem mehreren Metern langen, gefaltetem Schlauch zu vergleichen, welcher im Rachen als Speiseröhre beginnt und am After endet.Zur Bildung der Darmblase wird ein etwa 80 Zentimeter langes Darmstück verwendet. Zu diesem Zweck wird es aus dem Magen- Darm- Kanal herausgetrennt, letzterer wieder zusammengenäht. Das herausgetrennte Darmstück kommt somit nicht mehr mit der Nahrung in Kontakt. Danach wird das Darmstück längs aufgetrennt, so daß sich eine Platte ergibt. Diese Platte wird nun in sich gefaltet und ihre kanten werden so miteinander vernäht, daß ein Beutel entsteht, eben die Darmblase, der sogenannte Pouch. Diese kann zunächst 300 ml fassen. Die Vernähung des zuvor schlauchartigen Darmstücks zu einem Beutel hat 1. den Vorteil, daß ein Beutel mehr Urin aufnehmen kann als ein Schlauch und 2. wird verhindert, daß sich die Darmblase ständig von selbst zusammen zieht, wie es beim schlauchartigen Darm zum Nahrungstransport erfolgt. Anschließend werden die Harnleiter diesem Beutel aus Darm eingepflanzt.

Der von den Nieren fortwährend produzierte Harn fließt dann in die Darmblase. Jetzt wird der Anschluß der Darmblase an die Bauchwand, meist an der kosmetisch günstigsten Stelle, im Bereich des Bauchnabels erfolgen. Bei der Bildung dieses Anschlusses wird besonders 1. auf „Wasserdichtigkeit und 2. gute Durchgängigkeit geachtet für einen Einmalkatheder, mit welchem man später ja den Urin mehrmals täglich ablaufen lassen kann.Um die „Wasserdichtigkeit“ des Anschlusses zu gewährleisten, muß an der Anschlußstelle der Darmblase ein Schließmechanismus gebildet werden. Das Anschlußstück ( meist wird der noch vorhandene Blinddarm dazu genommen ) der Darmblase an die Bauchhaut ( z.B. am Bauchnabel) funktioniert dabei wie ein Ventil. Um dies zu erreichen, wird es auf spezielle Weise eingenäht. Wenn sich die Darmblase füllt und ihr Innendruck ansteigt, drückt sie das Anschlußstück zusammen. Die Kraft reicht aus, um alles „wasserdicht“ zu machen und somit ein Auslaufen des Urins zu verhindern. Es ist jedoch problemlos möglich, von außen einen Einmalkatheder schmerzfrei einzuführen um die neue Blase zu entleeren.

Was, wenn die Konstruktion einer Ersatzblase mit Bachdeckenanschluß nicht möglich ist?
Es könnte sich während der Operation herausstellen, daß eine Ersatzblase mit Bauchdeckenanschluß nicht gebildet werden kann, das gilt z.B. bei erschwerten Operationsbedingungen, die den Eingriff zu risikoreich machen würden. Da gibt es dann noch die Möglichkeit eines Stomas, zum Beispiel. (siehe Urostomie), oder auch andere Möglichkeiten, die der Arzt ansprechen wird.

Unmittelbar nach der Operation
Nach der Operation wird die neue Darmblase ständig über zwei Katheder entleert, bis alle Nahtstellen verheilt sind. Bei einem Bauchnabel Pouch verläuft ein Katheder durch den Bauchnabel über das Anschlußstück bis in die Ersatzblase. Diesen Weg nimmt man auch später mehrmals täglich mit einem sterilen Katheder, um die Blase zu entleeren. Sicherheitshalber ist noch ein zweiter Katheder durch die Bauchdecke direkt in die Blase eingeführt. 3 bis 4 Tage nach der OP wird begonnen die Blase über die Katheder mit Kochsalzlösung zu spülen, um sie vor Schleim zu befreien, den der Darm absondert. Nabelkatheder und Bauchdeckenkatheder werden erst nach einigen Wochen entfernt (2 bis 6 Wochen, je nach Op-Technik). Der weitere Schlauch ist für die Wundsekrete da, er wird auch direkt durch die Bauchdecke eingeführt. Er wird schon einige Tage nach der Operation entfernt.Bis etwa 14 Tage nach der OP werden zusätzlich zwei Harnleiterschienen durch die Bauchdecke nach außen geleitet sein, diese schützen die Einpflanzungsstellen der Harnleiter in die Blase. Wie bei anderen Darmoperationen auch, kann man einige Tage nicht normal essen und trinken. Aus diesem Grund bekommt man über einen Venenzugang die notwendigen Nährstoffe und Flüssigkeiten direkt ins Blut zugeführt. Nach 6 bis 10 Tagen kann man üblicherweise wieder mit dem Essen beginnen.

Anfangsschwierigkeiten
Wenn der Bauchnabel leicht feucht ist, erhält der Betroffene spezielle kleine Tupfer. Sollte der Katheter nicht gut einzuführen sein, so ist es ratsam, ein anderes Produkt auszuwählen. Eventuell kann auch durch das Ausprobieren einer anderen Position (Stehen, Knien, Sitzen) der Katheter besser einzuführen sein. Bei Hautrötungen eignen sich spezielle Hautfilme, die die Haut schützen. Anfängliche Ängste im Umgang mit der neuen Situation bauen sich meist durch die gute Schulung und Anleitung durch eines Stomatherapeuten oder durch Gespräche mit anderen Betroffenen sehr schnell ab.

Restharnbildung
Bleibt zuviel Schleim in der Blase zurück und wird die Blase mittels Katheter nicht vollständig geleert, so begüns- tigt der verbleibende Blaseninhalt Entzündungen und die Entstehung von Blasensteinen. Hier ist oft ein tieferes Einführen des Katheters, häufigeres Spülen mit Kochsalz oder die Verwendung eines größeren Katheters notwendig. Die Restharnkontrolle führt der Urologe durch. Oft hilft auch eine sitzende oder bückende Stellung oder Bauchpresse per Hand, um den Rest aus der Blase zu entfernen.

Zu starke Schleimbildung
Kommt oft so viel Schleim, dass er permanent zu Problemen führt (zum Beispiel ständiges Spülen oder Blasenüberlauf), so kann Preiselbeersaft oder N-Acetylzystein in verschiedenen Darreichungsformen eingenommen oder in die neue Blase instilliert werden.

Undichtigkeiten
Anfänglich auftretende Undichtigkeiten geben sich häufig innerhalb der ersten sechs Monate. In der Zeit kann man sich sehr gut mit speziellen Saugkompressen helfen, speziellen Hautschutzmaterialien wie zum Beispiel Cavilon-Spray oder in besonderen Fällen Materialien aus der Stomaversorgung. Die Undichtigkeit tritt eher bei geringem Füllungsstand der Blase auf, da hier der Druck auf die Verbindung zur Bauchdecke gering ist und so noch schlecht abdichtet. In Extremfällen muss operativ korrigiert werden.

Verengungen
Sowohl am Übergang Harnleiter-(Ureter-)Pouch als auch an der Pouch-Bauchdecke können Verengungen durch Vernarbung auftreten, die durch eine Schlitzung durch den Pouch beseitigt werden.

Schädigung des Säurehaushaltes
Da der Pouch Säuren, die zur Ausscheidung bestimmt waren, wieder aufnehmen kann, ist eine ständige halbjährliche Laborkontrolle nötig. Ebenso muss nach drei Jahren Vitamin B12 kontrolliert und eventuell substituiert werden.

Ernährung
Jeder Patient testet für sich aus, was er gut verträgt. Verbote gibt es keine. Nur bei einer eventuellen Durchfallsymptomatik sollte man ballaststoffreiche und vielleicht stopfende Lebensmittel steigern. Manchmal sind Medikamente, die die Gallensäuren binden, hilfreich.

Die Neoblase

Eine weitere operative Methode stellt die Neoblase (kontinenter Anschluss der neuen Blase an die Harnröhre) dar. Dabei bleibt der Schließmuskel und die Harnröhre erhalten und der Patient kann fast normal seinen Urin lassen. Da jedoch die neue Blase keine Muskulatur zur kontraktion besitzt, muß der Patient die Blase mittels Bauchpresse entleeren. Diese Operationsform bei Harnblasenkarzinomen ist sicherlich die eleganteste, da hier gegenüber dem Mainz-Pouch I auf Hilfsmittel verzichtet werden kann und der Patient ein weitgehend normales Leben führen kann.
Indikation
Der Blasenkrebs ohne Beteiligung der Harnröhre. Ist die Urethra (Harnröhre) mit betroffen, so muss diese mit entfernt werden und alternativ z. B. ein Pouch (Bauchnabelblase) angelegt werden. Dies wird schon im Aufklärungsgespräch thematisiert.

Das Operationsverfahren
Prostata mit Samenblasen und die Harnblase werden entfernt. Dann wird ein ca. 60 cm langer Darmabschnitt aus dem normalen Darmverlauf getrennt (unter Belassung der Gefäßversorgung). Der neue Darmabschnitt wird längs aufgeschnitten, in Schlingen nebeneinander gelegt und so vernäht, dass eine Kugel entsteht. Dadurch verliert der Darm seine natürliche Kontraktionsfähigkeit und die neu entstandene Blase fasst eine normale Urinmenge. Die Prostata wird entfernt, da sie durch die gutartige Vergrößerung zu einem Abflusshindernis der neuen Neoblase werden könnte. Die Ureteren (Harnleiter) werden antirefluxiv im oberen Abschnitt der Neoblase implantiert. Der untere Abschnitt der Neoblase wird an die Harnröhre angeschlossen. Zur Schonung der Nahtstellen werden für 14–21 Tage Katheter eingelegt. Außerdem wird die neue Blase hierüber mehrmals täglich ausgespült, da der Darm mit Schleimhaut überzogen ist und dieser Schleim den Abfluss des Urins behindern könnte. Bei Frauen ist es schwierig, die Urethra (Harnröhre) ohne Abknickung an die Neoblase anzubinden. Durch diesen Knick entstehen Miktionsstörungen und sehr häufig Restharn der unter allen Umständen zu vermeiden ist. Erwürde das Infektionsrisiko extrem ansteigen lassen. Diese Patientinnen müssen sich dann regelmäßig selbst katheterisieren. Daher gibt es bei Frauen häufiger die Bauchnabelblase.

Ohne Katheter
Nachdem die Schläuche entfernt sind, kann der Patient auf normalem Wege Wasser lassen, allerdings mittels Bauchpresse, da der natürliche Blasenmuskel fehlt. Die ersten Wochen muss der Patient die Blase nach spätestens drei Stunden (auch nachts) entleeren, da das endgültige Fassungsvolumen erst antrainiert werden muss. Auch nach dieser Trainingszeit soll man sechs Stunden nicht überschreiten. Die Blasenentleerung dauert deutlich länger als früher und geht meist im Sitzen besser.

Anfängliche Inkontinenz
Durch das Entfernen der Harnblase fehlt der innere Schließmuskel, so dass jetzt der äußere Schließmuskel allein den Urin in der Neoblase zurückhalten muss. Dazu muss dieser auftrainiert werden, was in der Regel drei Monate dauert, in Einzelfällen allerdings auch bis zu einem Jahr.

Mögliche Probleme

Strikturen (Verengungen)
Am Übergang der Neoblase zur Harnröhre können Ver-narbungen auftreten. Diese müssen durch eine kleine Operation entfernt werden (Schlitzen der Verengung durch die Harnröhre). Am Übergang Harnleiter-Neoblase kann man die Enge in der Regel durch eine Schlitzung über die Harnröhre beheben.

Vorübergehend Durchfall
Durch Einnahme einfacher Medikamente und/oder stopfender Nahrungsmittel ist für die wenigen Betroffenen (10 %) schnell eine Besserung zu erreichen.

Zu starke Schleimbildung
Die Neoblase produziert weiterhin Schleim, der in seltenen Fällen den Auslass des Urins behindern kann. Der Urologe wird die Blase ausspülen. Bei manchen Patienten kann Preiselbeersaft zur Verringerung der Schleimproduktion führen. Ausreichend trinken ist das Beste (etwa 2–3 Liter am Tag).

Unabdingbar ist der regelmäßige Besuch beim Urologen, auch wenn überhaupt keine Probleme auftreten. Er kümmert sich um die allgemeine Tumornachsorge, Ultraschall der Neoblase, Nieren und Restharnbestimmung, Blutwerte inkl. Vitamin B12 und Blutgasanalyse, Sexualaufklärung, da es zur Verletzung von Nerven kommt und es einen anschließenden Therapiebedarf für ein funktionierendes Geschlechtsleben gibt.

Neurostimulation

Eine sehr neue Art der Behandlung ist die Implantation einer Elektrode in den Rücken, welche die Nerven die zur Blase führen regelt. Es sollte jedoch durch eine Probestimultaion getestet werden, ob man für diese Behandlung in Frage kommt. Da sich diese Behandlung noch in der Erprobung befindet und nur bei einigen Formen der Inkontinenz sich beweisen konnte. Bei der Neurostimulation werden die Nerven im Bereich des Steißbeins mit schwachen elektrischen Impulsen stimuliert. dadurch können die Symptome der Harninkontinenz gelindert werden. Da bei diesem Operationsverfahren keine Nervenbahnen durchtrennt werden, kann die Operation jederzeit wieder rückgängig gemacht werden.
Teststimulation

Mit Hilfe des Neurostimulators können die Symptome der Inkontinenz gelindert oder gar beseitigt werden. Um die Linderung der Symptmatik bestimmen zu können, wird vor des Implantation eine Teststimulation durchgeführt. Dabei kann vom Patienten ausprobiert werden, welche Linderung seiner Beschwerden er zu erwarten hat. Eine Teststimulation dauert in der Regel etwa 3 - 7 Tage, dabei muß auch ein Miktionstagebuch geführt werden, um den Einfluß der Stimulation auf die Inkontinenz zu bestimmen. Erst jetzt kann über den Einsatz des Neurostimulators nachgedacht werden.

Vorbereitung zur Teststimulation
Eine besondere Vorbereitung zur Anlage der Stimulationselektroden ist nicht nötig. Das ganze Verfahren dauert in der Regel nicht mehr als 60 Minuten. Nachdem der Rücken freigemacht wurde und eine Bauchlage auf der Behandlungsliege eingenommen wurde, wird die Neutralelektrode am Rücken angeklebt. Anschließend wird vom Arzt eine örtliche Betäubung im Bereich des Kreuzbeins durchgeführt. Danach führt der Arzt eine Nadel in diesem Bereich ein, um eine geeignete Stelle für die Stimulation zu finden. Nun werden schwache elektrische Impulse auf die Nadel abgegeben. Manche Patienten verspüren dabei ein Ziehen oder Kribbeln ihrer Beckenbodenmuskulatur oder in der großen Zehe. Bei Frauen kann zusätzlich im Vaginalbereich und bei Männern im Hodenbereich eine Stimulation verspürt werden. Der Arzt steigert die Stärke der Stimulation solange bis eine deutliche Empfindung stattfindet. Einigen Patienten haben keine Empfindung, dann wird der Arzt eine andere Stimulationsstelle suchen. In einigen Fällen kann die Stimulationsempfindung völlig ausbleiben, dann wird der Arzt versuchen, die Reaktion des Anus oder der großen Zehe zur Bestimmung des geeigneten Stimulationsortes heranzuziehen. Beide Reaktionen werden durch die selben Nerven ausgelöst.

Ist ein geeigneter Ort gefunden, so wird im nächsten Schritt die Teststimulationselektrode an dieser Stelle über die Nadel eingeführt. Danach wird die Nadel entfernt und die dünne Elektrode mittels Klebeband an der Haut befestigt. Nun werden die Kabel der beiden Elektroden mit dem Stimulationsgerät verbunden. Zur Kontrolle der Lage der Elektrode kann eine Röntgenaufnahme angefertigt werden.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen
Während der Teststimulation sollten körperliche Anstengungen auf ein Minimum reduziert werden. Um die Position der Elektrode nicht zu verändern, sollen keine schweren Gegenstände gehoben werden, nicht übermäßig gestreckt oder gebeugt und auch keine ruckartigen Bewegungen ausgeführt werden. Auch sollte während der Testsimulation auf sexuellen Kontakt verzichtet werden. Auch darf während der Teststimulation nicht gebadet oder geduscht werden, damit der Bereich der Elektroden nicht eingenässt wird. Treten Hautrötungen oder Schwellungen im Bereich der Elektrode auf, so muß der Arzt unverzüglich benachrichtigt werden. Zum Wasserlassen soll der Stimulator abgeschaltet werden. Auch sollte der Stimulator beim Autofahren und beim Bedienen von Maschinen ausgeschaltet werden, um sich und andere nicht zu gefährden. Diese Vorsichtsmaßnahmen gelten größtenteils nur für die Teststimulation. Nach erfolgter Teststimulation kann die Wiederholung der Teststimulation erwägt werden, oder aber andere Behandlungsmethoden in Betracht gezogen werden.

Implantation des Neurostimulators

Zuerst wird der Arzt das Verfahren der Operation erklären. Dabei wird auch der beste Ort für den Stimulator besprochen. Der Ort ist abhängig von der beruflichen Tätigkeit und des Körperbaues. Das ist wichtig um später keine Probleme im Alltag wegen des Stimulators zu haben. Der Arzt muß auch darüber informiert werden, ob ein Herzschrittmacher getragen wird, um damit eventuelle Probleme mit elektrischer Interferenz beurteilen zu können. Im schlimmsten Fall muß von einer Operation abgesehen werden.

Die Operation
Die Operation dauert in der Regel etwa 2 bis 3 Stunden und wird in Vollnarkose durchgeführt. Es werden 2 oder 3 kleine Hautschnitte durchgeführt. Den ersten Schnitt macht der Arzt über dem Sakum und plaziert die Elektrode nahe des Sakralnervs. Dann legt der Arzt einen kleinen "Tunnel" unter der Haut an, um die Elektrode vom Rücken zu einem Hautschnitt an der Seite zu führen. Danach macht der Arzt einen Hautschnitt im Unterbauch und legt eine "Tasche" im Fettgewebe an. In diese Tasche wird der Neurostimulator platziert. Sie wird an der zuvor festgelegten Stelle angelegt, damit der Stimulator bei den Körperbewegungen nicht stört. Anschließend legt der Arzt einen Tunnel unter der Haut vom Neurostimulator zum Hautschnitt auf der Seite, um den Draht vom Stimulator mit der Elektrode zu verbinden. Alle Teile des Systems liegen nun unter der Haut. Die Hautschnitte werden nun wieder zugenäht und mit einem Verband abgedeckt.

Nach der Operation
Die Patienten werden meistens bereits am nächsten Tag aus dem Krankenhaus entlassen. Die Operationsnarben können in den ersten 2 Wochen noch etwas schmerzhaft sein, insbesondere die Narbe auf dem Rücken. Dies ist jedoch normal und wird in den nächsten Tagen allmählich abklingen. Für die Schmerzen werden Medikamente verordnet. Sollten die Schmerzen länger dauern oder Hautrötungen auftreten, so ist der Arzt unverzüglich zu benachrichtigen. Eine Woche nach der Operation ist die erste Nachuntersuchung, bei der dann auch die Parameter für den Stimulator eingestellt werden. Diese Einstellung wird in gleicher Weise durchgeführt, wie bei der Teststimulation. Schon bald kann mit den normalen Aktivitäten wieder begonnen werden, wichtig ist dabei nur, daß dies langsam geschied um sich nicht zu überanstrengen. Um die optimalen Werte für den Neurostimulator zu erhalten, sollen die Nachuntersuchungstermine regelmäßig war genommen werden.

Größe des Neurostimulators
Der Neurostimulator ist etwa so Groß wie eine Stoppuhr. Da alle Teile des Stimulators unter der Haut liegen, sollte normalerweise nichts davon zu sehen sein. Nur bei einigen Patienten, die einen schlanken Körperbau haben, kann eine kleine Beule an der Haut sichtbar werden, die aber unter normaler Tageskleidung nicht sichtbar ist.

Mögliche Probleme
Wie bei allen Operationen muß auch hier mit Komplikationen gerechnet werden. Diese Probleme decken den ganzen Bereich ab und führen von Hautreizungen bis zu technischen Problemen. Die wichtigsten Probleme sind:
  • Schmerzen an der Implatationsstelle des Neurostimulators
  • Neue Schmerzen ausgelöst durch den Neurostimulator
  • Elektrodenmigration
  • Infektionen
  • Transistorischer (rascher/kurzer) Elektrodenschock
  • Schmerzen an der Elektrodenstelle
  • Nebenwirkungen auf den Verdauungsapparat
  • Störungen anderer Nervenbahnen mit Lähmungserscheinungen
  • Technische Probleme mit dem Neurostimulator
Nicht alle Probleme führen wangsläufig zu einer weiteren Operation. Bei technischen Problemen überwiegen die Störungen, die mit der richtigen Einstellung der Parameter zu tun haben. In einigen Fällen muß die Elektrode neu platziert oder ausgetauscht werden. In einigen Fällen wurden Schmerzen im Bereich des Neurostimulators und der Elektrode beobachtet. Auch sind bei einigen Patinenten neue Schmerzen aufgetreten, bei denen Vermutet werden muß, daß sie im Zusammenhang mit der Stimulation stehen. In wenigen Fällen sind Infektionen und Vereiterungen der Operationsnarben beobachtet worden.

Ein weiterer Punkt der bei wenigen Patienten aufgetreten ist, sind Bewegungsstörungen und Lähmungserscheinungen der Beine. Hier muß noch in weiteren Studien abgeklärt werden, in wiefern sich die Neurostimulation auf andere Nervenbahnen auswirkt.

Da der Neurostimulator direkt die Nerven im Sakralbereich stimuliert, muß auch mit Störungen des Verdauungsapparates gerechnet werden. Besonders störend können hier Durchfall und Verstopfung sein, aber auch andere Symptome wie Unwohlsein. Aber auch andere Symptome können auftreten, wie zum Beispiel Änderungen im Menstruationszyklus, Verlust der Orgasmusfähigkeit, starke anale Empfindungen, Vaginalkrämpfe, anhaltende Hautreitzungen und Hautperforation durch den Neurostimulator. Wenn solche Symptome gehäuft auftreten und nicht zu beseitigen sind, so sollte über die Entfernung des Neurostimulators nachgedacht werden.

künstlicher Schließmuskel

Der künstliche Schließmuskel ist eine elegante Lösung bei kompletter Harninkontinenz und kann bei fast jeder Form der Harninkontienz eingebaut werden. Er liegt zirkulär um die Harnröhre. Hierbei verschließt ein aufblasbares Ballonsystem die Harnröhre. Mittels einer subkutan liegenden kleinen Pumpe kann der Patient das System beliebig selbst steuern. Da ein Fremdkörper implantiert wird, ist eine Infektion das Hauptproblem. Dies führt häufig zur Explantation. Wenn das System aber funktionstüchtig eingesetzt wird, dann wird in nahezu allen Fällen Kontinenz erreicht.
Der Neosphinkter ist eine kleine mit Flüssigkeit gefüllte Prothese, die vollständig in den Körper implantiert wird. Diese Prothese besteht aus mehreren Komponenten.
  • Die Manschette umschließt die Harnröhre und dichtet sie so ab.
  • Ein kleiner Ballon enthält die Flüssigkeit für die Manschette.
  • Über Schläuche sind die einzelnen Komponenten verbunden.
  • Die Pumpe liegt im Skrotum und läßt sich von außen Ertasten.
  • Der Deaktivierungsknopf befindet sich am oberen Teil der Pumpe
Funktion der Prothese
Die mit Flüssigkeit gefüllte Manschette umschließt mit sanften Druck die Harnröhre. Zum Wasserlassen wird die Manschette durch mehrmaliges Drücken der Pumpe geöffnet. Damit fließt die Flüssigkeit aus der Manschette in den Ballon. Da die leere Manschette die Harnröhre nichtmehr verschließt, kann sich der Harn aus der Blase entleeren. Die Flüssigkeit fließt dann innerhalb weniger Minuten zurück in die Manschette und verschließt damit die Harnröhre wieder.

Untersuchungen durchführen
Um Untersuchungen der Harnröhre und der Blase durchführen zu können, muß die Prothese mit einem Knopf Deaktiviert werden. Damit wird der Harnröhre zur Blase hin offen gehalten, um die Instrumente einführen zu können. Nach Abschluß der Untersuchungen aktiviert der Patient die Prothese wieder und die Harnröhre ist somit wieder verschlossen.

bewährte Technik
Seit über 25 Jahren werden künstliche Blasenschließmuskel bein Harninkontinenz eingesetzt. Nahezu 90% der Patienten waren mit dem Ergebnis sehr zufrieden und würden sich wieder einen künstlichen Sphinkter einsetzen lassen. Fast alle Patienten waren nach der durchschnittlichen Lebensdauer des künstlichen Sphinkters von über 7 Jahren noch nahezu Kontinent, das bedeutet, sie brauchten im Durchschnitt nur 0-2 Stück Vorlagen oder Windeln in 24 Stunden.

ACT „Adjustable Continence Therapy“-System

Das ACT „Adjustable Continence Therapy“-System wurde vor seinem Einsatz beim Mann schon erfolgreich bei der Behandlung der weiblichen Inkontinenz eingesetzt. Nun wurde dieses System unter Mithilfe von Univ.-Doz. Dr. Hübner weiterentwickelt, was die Anwendung auch beim Mann ermöglichte.
Inkontinenz als Folge einer radikalen Prostatektomie oder einer transurethralen Prostataresektion (TUR/P) ist ein weitverbreitetes und bislang wenig zufrieden stellend gelöstes Problem in der Urologie. Als bisherige Lösungsmöglichkeiten wurden in der Vergangenheit hydraulische Systeme oder submukös injizierte Bulking Agents eingesetzt. Da diese Eingriffe einerseits zum Teil sehr aufwendig sind und anderseits nur über eine begrenzte Haltbarkeit und Effizienz verfügen, war man in der Vergangenheit stets auf der Suche nach einer einfachen minimal-invasiven Alternative. Ein weiterer Nachteil der hydraulischen Systeme war auch, dass sie eine gewisse manuelle Geschicklichkeit des Benutzers voraussetzten. Das ACT-System wurde vor seinem Einsatz beim Mann schon erfolgreich bei der Behandlung der weibli-chen Inkontinenz eingesetzt. Es war ein Teil der Entwicklungsarbeit von Univ.-Doz. Dr. Hübner, Vorstand der Urologischen Abteilung Korneuburg, die es möglich machte, dieses System auch beim Mann erstmalig zu verwenden. Ausgehend von der Urologischen Abteilung Korneuburg wurde dieses neuartige Produkt seit 2000 weltweit angewendet, wobei wir mit rund 120 durchgeführten Eingriffen bis zum heutigen Tage über große Erfahrung verfügen.

Aufbau und Anwendung des Pro-ACT-Systems
Das Pro-ACT-System besteht aus einem aus Silikon gefertigten aufblasbaren Ballon, der über einen Verbindungsschlauch mit einem Anschlussport verbunden ist. Über diesen Port ist eine Adjustierbarkeit gegeben. Implantiert wird der Ballon über einen perinealen Zugangsweg – nach primärer Urethrozystoskopie und Füllung der Blase mit Kontrastmittel. Es erfolgt anschließend die stumpfe Präparation des Beckenbodens paramedian unmittelbar am Ramus inferior ossis pubis, ähnlich wie bei der Raz-Operation. Die endopelvine Faszie wird durchstoßen, und ein kleiner Raum im Bereich des Blasenhalses geschaffen. Der Ballon selbst wird mit Hilfe eines speziellen Bestecks in Position gebracht. Nach anschließender zystoskopischer wie radiologischer Kontrolle (Bildwandlerkontrolle) wird der Ballon mit einem jodhältigen Kontrastmittel-Wassergemisch aufgefüllt, bis eine suffiziente Impression der Harnröhre besteht. In der Regel sind 2 ml primär ausreichend, die letztliche Füllung bestimmt jedoch das endoskopische Bild. Die Anschlussports werden anschließend subkutan in ein Skrotalfach verlagert, sodass später die Möglichkeit besteht, sie perkutan zu punktieren. Die durchschnittliche OP-Dauer für diesen Eingriff beträgt nach einer anfänglichen Lernkurve 15–30 Minuten. Die postoperative Harnableitung mittels Foleykatheter bleibt für 24 Stunden. Prinzipiell könnte der Eingriff auch in Lokalanästhesie durchgeführt werden.

Ermutigende Langzeitergebnisse
Die bisher gewonnenen, absolut ermutigenden Langzeitergebnisse über 2,5 Jahre umfassen eine „Trockenheitsrate“ von 62%. Wenn man die Minimalinvasivität des Eingriffes betrachtet, stellt dies ein ausgezeichnetes Resultat bei den 52 bisher in Korneuburg operierten Patienten dar. Weitere 29% konnten zumindest eine Besserung ihrer Beschwerdesymptomatik beschreiben. Die verbleibenden 9% sind Therapieversager. Im Schnitt sind 4 postoperative Adjustierungen notwendig, um dieses Ergebnis zu erzielen. An intra- und postoperativen Komplikationen sind vor allem Blasen- oder Urethraperforationen zu erwähnen, die in einer Häufigkeit von 17% der Fälle auftraten und seit Adaptation des Implantationsbesteckes und operativer Erfahrung kaum mehr in Erscheinung treten. Daneben gab es 9 Fälle von Ballonmigration, 4-mal davon durch die Harnröhre (75% bestrahlte Patienten!). Diesem Umstand versuchen wir nun durch län-gere Zeitintervalle zwischen den Adjustierungen und niedrigere nachgefüllte Volumina entgegenzuwirken. In einem Fall kam es zu einer Wundinfektion. Die Häufung geplatzter Ballons wird seit Einführung einer zweiten anders fabrizierten Produktserie nicht mehr beobachtet. Keine der obigen Komplikationen führt zu dauerhaften Schäden und alle Patienten, die zu den Therapieversagern zählten, sind mittlerweile erfolgreich mit einem hydraulischen Sphinkter versorgt.

Adjustierbarkeit ermöglicht Miktion ohne manuelle Manipulation
Das Neuartige an diesem System ist seine Adjustierbarkeit, die dem Patienten eine „physiologische“ Miktion ohne manuelle Manipulation ermöglicht, wenngleich fallweise unter leichtem Einsatz der Bauchpresse. Die perkutanen Adjustierungen werden von keinem Patienten als unangenehm empfunden und sind einfach durchzuführen. Insgesamt konnte eine signifikante Steigerung der Lebensqualität verzeichnet werden.

transurethrale Sphinkterotomie

Diese Operation wird bei Überlaufinkotinenz und Prostataleiden eingesetzt. Durch die transurethrale Sphinkterotomie wird der durch die Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie erhöhte Blasenauslaßwiderstand gesenkt, die zur Entleerung erforderlichen Drucke normalisieren sich, die Blasenentleerung wird restharnarm bis restharnfrei. Das Risiko für den oberen Harntrakt wird dadurch beseitigt. Das zweite Behandlungsziel, nämlich die Kontinenz wieder zu erlangen, kann jedoch dadurch nicht erreicht werden.
Nachteile der Sphinkterotomie
Intermittierender Katheterismus, eine wirksame Therapie mit Medikamenten zur Blasenrelaxation „Anticholinergika/Spasmolytika“ sowie andere in der Folge noch zu besprechende Maßnahmen haben die Indikation zur Sphinkterotomie deutlich eingeschränkt. Sie ist jedoch nach wie vor die Methode der Wahl bei Männern mit hoher Tetraplegie und nicht kompensierter Blasenentleerung, vorallem wenn noch zusätzlich eine autonome Dysreflexie die Situation verschärft. Die Lasersphinkterotomie reduziert die intra- bzw. postoperative Blutung, bei etwa 40 % ist bei Lasersphinkterotomie eine Re-Sphinkterotomie notwendig. Die Platzierung von Harnröhrenstents als Alternative zur transurethralen Sphinkterotomie haben sich in den Händen der meisten Neuro-Urologen wegen einer hohen Komplikationsrate nicht bewährt und sollten nur dann angewandt werden, wenn zwei vorangegangene Sphinkterotomien erfolglos blieben.

Ileozystoplastik oder Blasenaugmentation

Eine weitere Möglichkeit, bei Dranginkontinenz und instabiler Blase eine Linderung der Beschwerden zu verschaffen, ist die Ileozystoplastik oder auch Blasenaugmentation. Sie ist das häufigste angewandte Verfahren, hier ist ein ausreichender Harnröhrenverschlussdruck unabdingbar. Die Blase wird mit Dünndarm oder in Kombination mit Dickdarm erweitert, mögliche erhöhte Resturinmengen werden mittels eines Einmalkatheterismus beseitigt.
Die Ileozystoplastik ist ein größerer Eingriff zur Behandlung einer schweren Dranginkontinenz und instabilen Blase. Die Blase wird dabei in der Mitte gespalten und wie eine Muschel geöffnet. Ein Ileumabschnitt mit eigener Blutversorgung wird dann als Lappen auf die Blase genäht um deren Fassungsvermögen zu erhöhen und ungezielte Kontraktionen abzufangen.

Probleme mit dem Schleim
Das eingefügte Darmsegment produziert jedoch weiterhin Schleim, der Probleme bereiten kann. Ein Schleimpfropf kann sogar eine Harnverhaltung auslösen. Vielen Patienten fällt es nach dieser Operation schwer, die Blase vollständig zu entleeren. Einige von ihnen müssen auf intermittierende Selbstkatheterisierung zurückgreifen.

Stoffwechselstörungen
Da das eingesetze Darmsegment auch weiterhin vollständig seine Arbeit verrichtet und auch Schadstoffe dabei aus dem Urin in das Blut abgibt, kann es durchaus zu Stoffwechselstörungen kommen. Es ist jedoch ungewiß, ob langfristig die Gefahr einer Entwicklung von Blasenmalignomen besteht, die von diesem Darmsegment ausgehen. Bei jemanden, der ansonsten durch schwerste Pollakisurie und Dranginkontinenz behindert wäre, kann diese Operation jedoch gute Ergebnisse liefern.

Aussichten für die Zukunft

Die Verletzung des Nervus pudendus führt zu Harn- und Stuhlinkontinenz. Zur Verletzung des Nervus pudendus kommt es durch Traumen mit Beckenbeteiligung, bei tiefen Rückenmarksschädigungen mit Verletzung der Sakralnervenwurzeln oder bei Geburtsverletzungen. Neurourologisch besteht heutzutage die Möglichkeit der Behandlung mit Sphinkterprothesen, der Nervenstimulation und der Muskelverpflanzungen zur Kontinenzerlangung, jedoch ist keine der bisher praktizierten Therapiemethoden wirklich befriedigend.
Andererseits besteht aber auch die Möglichkeit der mikrochirurgischen Nervenanastomosierung, wie sie zum Beispiel schon seit Jahrzehnten bei peripheren Facialisverletzungen (Verletzungen des Gesichtsnervs) mittels der Facialisanastomose bzw. der Hypoglossus-Facialis-Kreuzanastomose praktiziert wird.

Bis heute ist wenig über die neurobiologischen Reparationsvorgänge bekannt, die im spinalen Nervenkern (Nukleus Onuf) des Pudendusnervs nach peripheren Nervenverletzungen stattfinden. Seit geraumer Zeit ist bekannt, dass das periphere und zentrale Nervensystem in der Lage sind, kontinuierlich und dynamisch auf externe und interne Einflüsse zu reagieren. Von besonderem Interesse sind dabei die neuronale Plastizität und Nervenregeneration mit dem Aufbau neuer axonaler Verbindungen zum Muskel.

Tatsache ist, dass bis heute weder der Einfluss der mikrochirurgischen Anastomose des verletzten Nervus pudendus auf das Nervensystem oder auf den analen bzw. urethralen Sphincter experimentell untersucht worden ist noch eine mikrochirurgische operative Technik zur Versorgung von Pudendusverletzungen entwickelt wurde. Ziel ist es, eine funktionierende axonale Verbindung nach peripheren Pundendusverletzungen mittels mikrochirurgischer Operationstechnik zu entwickeln und im Versuch anzuwenden. Voruntersuchungen lassen auf gute Erfolgschancen schliessen. Damit liesse sich die Lebensqualität der betroffenen Parienten wesentlich verbessern.

Bleibt also Abzuwarten, was die Medizin in den nächsten Jahren auf dem Gebiet der Nervenanastomosierung noch Leisten wird. Gerade hier ist noch ein großes Potential an Forschung nötig, um das Wissen zu erweitern.

Das sensationelle Forschungsprojekt von Prof. Wassermann und Prof. Jocham

Die an der Fachhochschule München und der Universitätsklinik Lübeck zu entwickelnde implantierbare Kunstblase erhält den Innovationspreis zur Förderung der Medizintechnik. Mit diesem System könnte Millionen von Menschen geholfen werden, denen zum Beispiel aufgrund eines Tumors die Blase entfernt werden musste. Die Fraunhofer Gesellschaft hat dieses künstliche Harnableitungssystem patentieren lassen und damit dem Forscherteam den wissenschaftlichen Vorsprung auf diesem Gebiet gesichert. Mit Hilfe der finanziellen Mittel aus dem Innovationswettbewerb planen die Wissenschaftler nun die künstliche Blase innerhalb der kommenden Jahre bis zum klinisch einsetzbaren Prototypen fort zu entwickeln.

Dem Gesundheitsbericht für die Bundesrepublik Deutschland ist zu entnehmen, dass bezüglich des Blasenkarzinoms mit jährlich 18.000 Neuerkrankungen gerechnet werden muss. Zudem steigt die Zahl betroffener Frauen, wohl bedingt durch den größer werdenden Anteil von Raucherinnen. Die radikale Zystektomie stellt bei Frauen im Hinblick auf eine kontinente Harnableitung als Ersatz für die eigene Harnblase eine besondere Herausforderung dar, da bei der Frau kein dem männlichen Patienten analoger anatomisch umschriebener Schließmuskel existiert.

Die Urologie als klinischer Anwender von Harnblasen-Ersatzsystemen stützt sich aktuell auf operative Verfahren ab, bei denen die Verwendung von aus dem normalen Verlauf ausgeschalteten Darmsegmenten eine zentrale Rolle einnimmt. Mit diesen Lösungen beschäftigt sich auch die einschlägige Literatur. In der überwiegenden Zahl der Fälle beinhaltet ein notwendiger Blasenersatz die Integration von solchen separierten Dünn- und/oder Dickdarmanteilen zur Bildung von Harnreservoirs. In nicht unerheblichem Maße sind diese Verfahren aber mit Komplikationsfeldern belastet und durch hohe Raten von Folgeproblemen kompromittiert. Die Inkontinenzrate bei den derzeit verwendeten Darm-Ersatzblasen liegt bei bis zu 24%. Allein die Vermeidbarkeit dieser Problematik rechtfertigt die Zielsetzung der Entwicklung einer Kunstersatzblase mit einem integrierten Verschlussmechanismus. Allseits bekannte Probleme, die aus einer Harninkontinenz resultieren, soziale Ausgrenzung, Dauerkosten durch "Inkontinenzhilfen" sind vermeidbar.

Der Wunsch der Medizin
Der schon lange bekannte Wunsch der Medizin nach einer künstlichen Ersatzblase blieb bisher vor allem aus technologischen Gründen unerfüllt. Passende Werkstoffe und die notwendige Technologie in hydraulischen und elektronischen Bausteinen für eine vesica artificialis waren bis vor kurzem nicht vorhanden. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen, der ökonomischen, vor allem aber der sozialen Bedürfnisse und Aspekte einerseits und der medizinischen Problematik andererseits bleibt als einzig inzwischen gangbarer Weg der der Implantation eines zuverlässigen Ersatzsystems. Die heutigen Wünsche und Anforderungen der Medizin an ein solches künstliches System sind schnell formuliert.

Eine autarke, komplett implantierbare alloplastische Kapsel. Wobei sämtliche aktorischen und energietechnischen Teile in die Kapsel integriert werden müssen, d.h. es darf kein aktives technisches Subsystem außerhalb der Kapsel angeordnet sein, es darf auch kein Versorgungsanschluss oder eine andere Systemkomponente die Oberhaut durchdringen. Lediglich subkutan kann ein für die Transmissionsbedingungen durch die Haut geeigneter Energietransfer-Baustein eingebracht werden.

Technik der Kunstblase
Im Rahmen eines Industriesemesters des Projektleiters bei der S&G GmbH in Lübeck im WS 95/96 wurden bereits die notwendigen Weichenstellungen für wichtige technische und medizinische Forschungssegmente initiiert. Mit konstant 37° C warmer Flüssigkeit elektrohydraulisch im Gegentakt gepumpte Faltenbälge zum Dauertest von Polymerwerkstoff, von diversen Pumpen- und Ventilsystemen bei Variation des Drucks und der Durchflussgeschwindigkeit mittels PWM. Aus der engen wissenschaftlichen Zusammenarbeit des Labors für Sensorik unter der Leitung von Prof. Helmut Wassermann mit der Klinik für Urologie der Medizinischen Universität zu Lübeck unter der Leitung des Lehrstuhlinhabers und Klinikdirektors, Prof. Dr. med. Dieter Jocham ergibt sich ein neuer realistischer Ansatz für die Entwicklung einer "physiologisch" funktionierenden alloplastischen Ersatzblase. Getreu den eigenen technischen Lehrgrundsätzen wurden, angelehnt an die Empfehlungen aus der Richtlinie VDI 2222 und orientiert an dem medizinischen Forderungskatalog, mögliche Lösungsvarianten von technischen Teilfunktionen erarbeitet und in intensiver methodischer Arbeit analysiert. Mit diesem Prozess einher ging eine sehr intensive Recherchetätigkeit zu allen relevanten technologischen Feldern. Besondere Beachtung fanden Veröffentlichungen zu aktuellen Werkstofftechnologien sowie die Literatur und die Präsentation zu modernsten Aktoren und Sensoren.

neue Werkstoffe
Mit Verfügbarkeit neuer biokompatibler Werkstoffe durch den sehr frühen Zugang zu aromatischen Polyurethanen aus U.S.A., die zum damaligen Zeitpunkt ein 90 days implant FDA-approval hatten und nur als Plattenmaterial verfügbar waren, wurden komplex angelegte fluidische, mechanische und elektronische Tests möglich. Aus dem Plattenmaterial der Werkstoffe Tecothane 1085 A und 1095 A sowie des Werkstoffs Carbothane 3585 wurden im Ultraschallverfahren Schläuche mit lichten Weiten zwischen 4mm und 5mm hergestellt, die in diversen Dauertests mit destilliertem Wasser, schmutzbelastetem Wasser und mit Urin beaufschlagt wurden. Zeitgleich mit den hauseigenen Versuchen führte das IFAM ( Fraunhofer Institut für Angewandte Materialforschung ) in Bremen beauftragunsgemäß Beständigkeitsuntersuchungen, zum Beispiel DMTA gemäß DIN 53445, an den o.a. aromatischen Polyurethanen in Platten- und Schlauchform durch.

Versuchsaufbau
Bei den Versuchsaufbauten wurde streng darauf geachtet, dass weitere technische Module, wie zum Beispiel passive Einheiten, sowie Aktoren (Pumpen und eigenentwickelte Austriebssysteme), Ventile und andersgeartete Schließsysteme, als auch Reservoirs unterschiedlichster Formgestaltung gleichzeitig im Verbund mit den Leitwerkstoffen getestet werden konnten. In Teilsegmenten konnten Untersuchungen mit bereits für das Endprodukt verwertbaren Ergebnissen abgeschlossen werden. Im Laufe der Jahre 1995 und 1996 erhielt die Formgebung einer implantierbaren Kapsel durch Integrations- und Adaptionsarbeiten an Leichen und Leichensegmenten der Institute für Anatomie und Pathologie der MUL in vielen Iterationsschritten wertvolle Impulse. Den eigentlichen und entscheidenden Schliff erhielt die geometrische Definition des potentiellen Implantats aber erst jüngst durch das Einpassen im lebenden Körper während der Operation am offenen Bauch. Entscheidende Fortschritte wurden im BMBF- Forschungsprojekt erzielt, das im Rahmen des Programms "Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen" unter dem Titel "Künstliches harnableitendes System" 1997 und 1998 mit 200.000,- DM gefördert wurde. Besonders die geometrischen und funktionellen Festlegungen der künstlichen Vesica wurden entscheidend vorangebracht. Das Ergebnis schlägt sich in einer Patentanmeldung nieder. Die Beurteilung des mechanischen Ausdrückverfahrens zur Entleerung einer Kunstblase konnte beispielhaft an einem über Spindelaustrieb komprimierten Faltenbalg im Zeitrafferverfahren vollzogen werden.

lange Lebensdauer vorhergesagt
Der Versuch mit Kugelpräzisionsspindel und Faltenbalg aus Polyurethan 1303 wurde bei Erreichen von 88.000 Zyklen abgebrochen. Damit war das selbstgesteckte Ziel von ca. 85.000 unbeanstandeten Zyklen, was einer Einsatzdauer eines implantierten Systems von ca. 15 Jahren entspräche, weit übererfüllt. Von besonderem Interesse für die weitere Entwicklung ist das Ergebnis aus dem pneumatischen Teststand. Die mechanischen, elektrischen und elektronischen Komponenten der Versuchseinrichtung samt Steuerung haben die Zahl von 1,6 Millionen Lastspielen weit überschritten. Der daraus gezogene zusätzliche Gewinn wichtiger Erkenntnisse zur Formgebung und Faltung beim Einsatz diverser Polyurethane gewährleistet das Erreichen weiterer Meilensteine mit hoher Wahrscheinlichkeit. Für die Simulation der im urologischen Bereich auftretenden dynamischen Lastfälle wurden von der FHM und MUL drei funktionell gleiche, aber in der technischen Ausführung sich unterscheidende Bewegungstische entwickelt, die die im Becken möglichen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen nach den von der ETH Zürich untersuchten Gesetzmäßigkeiten und dazu entwickelten Algorithmen nachstellen können. Auf diesen sogenannten hip-movement-Testeinrichtungen werden zudem die Fragen der künstlichen Alterung mittels thermischer Überhöhung in Langzeitversuchen zeitgleich aufgegriffen.

Einbindung von Studenten in Forschungsprojekt
Erklärtes Ziel war auch die Einbindung von Studenten in dieses Forschungsprojekt. So sollte das Ausrichtungskonzept der Fachhochschulen, nämlich Praxisorientierung in der Ausbildung basierend auf wissenschaftlichem Fundament, bei der Entwicklung und beim Bau dieser Tische ein weiteres Mal verifiziert werden. Mit großer Begeisterung gingen engagierte Studenten über zwei Semester hinweg daran, ihre in der Konzeptphase gewonnenen Ideen im konstruktiven Entwurf und im Bau von Prototypen bis zum Funktionsnachweis umsetzen. Die Forschungsarbeiten dauern an und werden unter ständiger Beteiligung und Beobachtung der Industrie weitergeführt. Auf dem Fundament der bisherigen Arbeiten soll mit der Fortführung des industriell und wissenschaftlich anerkannten Konzeptes der Schlüssel für den Einstieg in die industrielle Umsetzung mit dem Ziel eines medizintechnischen Serienprodukts gefunden werden.

Funktion der Kunstblase
Die künstliche Harnblase hat die Form einer Kapsel. Sie besteht aus einer externen und zwei internen, das heißt implantierbaren Komponenten. Sobald die Kunstblase gefüllt ist, macht sie sich mit einem Vibrieren bemerkbar. Dieses Teil befindet sich zusammen mit einem weiteren Baustein für die kontrollierte Entleerung außerhalb der Kapsel. Beide Teile sind jedoch vollständig unter der Haut eingesetzt. Der Patient steuert die Entleerung und das Aufladen der inneren Energiespeicher durch ein externes Gerät, das er auf seinen Unterbauch auflegt.

Die Kunstblase ist eigenständig tätig und meldet sich bezüglich des Füllungsgrades, so dass man nicht nach einem bestimmten Zyklus die Entleerung vornehmen muss wie bei der Neoblase oder anderen Systemen. Wird bei unserem System ein kritischer Füllungsgrad erreicht, ertönt ein Vibrationsalarm. Man kann auch jederzeit über ein transkutanes Signaltransfersystem den Zustand der Blase abfragen, das macht man durch Auflegen eines eigenständigen kleinen Gerätes auf den Bauch. Die künstliche Blase ist im Übrigen aus biokompatiblen Material, sie wird also nicht abgestoßen.

Hilfe für Millionen
Ziel ist es, mit dieser Entwicklung Millionen Menschen zu helfen, die ihre Blase verloren haben. Prof. Wasssermann gibt sich optimistisch: "Aufgrund unseres Konzeptes wird die Kunstharnblase bei jedem Patienten funktonieren. Wir bauen das System modular auf. Es besteht aus Reservoir-, Steuerungs-und Aktorikmodulen in verschiedenen Größen". Die Fraunhofer Gesellschaft hält das Projekt für ein Paradebeispiel marktorientierter, interdisziplinärer Forschung und hat mit 75.000 Euro die weltweite Patentierung dieser Entwicklung übernommen.

Schon bald Wirklichkeit ?
Prof.Wassermann rechnet damit, dass die künstliche Harnblase 2004 implantierbar ist, obwohl der Mediziner sagt, dass das undenkbar sei, schon alleine wegen der vorzuschaltenden Tierversuche und klinischen Versuche. Insofern muss wohl eher 2005 anvisiert werden.


Ein weiteres Forschungsprojekt unter der Leitung von Prof. Wassermann

Neben der Entwicklung der künstlichen Harnblase ist in München auch eine weitere neue Behandlungsmethode defektem Sphinkter externus gelungen. Die Ärzte beheben diese Inkontinenz häufig, indem sie operativ eine Art aufpumpbare Manschette um den Harnleiter legen. Durch Fehleinstellung kann es bei solchen Schließhilfen jedoch zu Nekrosen kommen, was für den Patienten mit Schmerzen und oft auch mit dauerhaftem Leiden verbunden ist.

Ebenfalls mit einer Förderung über das aFuE-Programm der AiF hat Professor Wassermann ein neues Schließsystem entwickelt. Es passt sich einer Druckerhöhung im Unterbauch durch Lachen, Husten oder Niesen, die eine Inkontinenz verursacht, blitzschnell an und vermeidet so Nekrosen. Für ihre Arbeiten an diesem Schließmechanismus wurden die Studenten Chi-Nghia Ho und Alexander Hentschel im Februar 2002 mit dem Deutschen Studienpreis 2001/02 ausgezeichnet. Das neue Implantat besitzt einen feinsensorigen Regelkreis, der einen kritischen Blutstau verhindert, wobei er gleichzeitig den Harnfluss kurzzeitig intensiv und damit sicher sperrt. Der Schließmechanismus, den eine in den Körper implantierte Kontrolleinheit steuert, ist mit einer Silikon-Manschette ausgestattet. Kontrolleinheit, Pumpe und Akku sind in biokompatiblem Material verkapselt, damit sie der Körper nicht abstößt. Der Energiespeicher wird, ebenso wie bei der künstlichen Harnblase, durch Induktion aufgeladen.

Technischer Aufbau
Wie bereits beschrieben, ist es Ziel des Implantats, über den Druck eines Cuffs auf die Harnröhre die Flüssigkeitsabgabe zu steuern. Die Regulierung des Drucks erfolgt durch Zu- und Abfuhr von Flüssigkeit, die sich bereits in dem implantierten System, in einem Reservoir, befindet. Im Grundzustand wird Flüssigkeit aus dem Reservoir mit Hilfe einer Pumpe durch die geöffneten Ventile V4 und V5 geleitet. Wenn der Sensor S2 eine definierte Schwellenspannung misst, wird das Ventil V5 geschlossen. Die Schwellenspannung des Sensors S2 entspricht einem Normaldruck von 0,07 bar im Cuff. Dieser Druck entspricht dem Querschnittdruck, den ein gesunder Muskel Sphinkter Externus erreicht. Um auf eine plötzliche dynamische Belastung des Cuffs sofort reagieren zu können, wird zusätzliche Flüssigkeit in den Vordruckbehälter gepumpt. Wenn der Sensor S3 eine Spannung von 0,3 bar feststellt, wir das Ventil V4 geschlossen. Das System ist nun "scharf" und kann jederzeit auf plötzliche Druckänderungen reagieren. Ziel des Systems ist es, die Druckdifferenz zwischen S2 und S4 unabhängig von anderen Einflüssen konstant zu halten. Erreicht man dies, kann Harnaustritt verhindert und das Gewebe geschützt werden.

Eine Gefahr für ungewollten Harnverlust besteht besonders immer dann, wenn die gefüllte Harnblase mit einem dynamischen Druck belastet wird. Dies geschieht zum Beispiel beim Husten, Lachen oder Niesen. Es kann dadurch zu einem kurzzeitigen Druckanstieg bis auf das fast vierfache des Ausgangswertes von 0,25 bar kommen. Um zu verhindern, dass ein derart hoher Druck Harn durch den Cuff hindurch presst, wird bei derartigen Druckspitzen das Ventil V5 geöffnet. Flüssigkeit strömt aus dem unter relativ hohem Druck stehenden Vordruckbehälter nach und führt zu einem raschen Druckanstieg im Cuff.Nach eine Verzögerungszeit zum Abklingen der Druckspitze wird der Differenzdruck zwischen S2 und S4 wieder hergestellt. Die beiden Ventile V5 und V6 schließen und öffnen sich dazu abwechselnd bis der gewünschte Wert erreicht ist.
    schematischer Aufbau des Systems

Die technischen Daten
Die Stromversorgung und damit Aufladung der internen Akkus geschieht durch Induktion. Dabei wird das gleiche Prinzip genutzt, wie es bei Transformatoren verwendet wird. Dadurch wird das System energetisch autark, es sind keine externen Energiequellen nötig. Das System wird telemetrisch von außen codiert, über eine außerhalb des Körpers befindliche Anzeige mittels verschlüsselter Signale durch Modularisierung, das System kann dadurch den persönlichen Maßen des Patienten ohne Aufwand angepasst werden. Bei der alloplastische Kapselung mit biokompatiblen Materialien wird ausschließlich körperfremdes, jedoch körperverträgliches Material wie zum Beispiel Titan, ausgewählte Kunststoffe usw. zur Umhüllung des Implantats verwendet, um Abstoßungsreaktionen zu vermeiden

Bedienung durch den Patienten
Nach der Implantation bekommt der Patient neben vielen Informationen nur zwei Dinge mit auf den Weg. Eine feuerzeuggroße Fernbedienung dient ihm zur Ansteuerung des Implantats. Damit ist es möglich, die sich kontinuierlich füllende Blase selbständig bei Bedarf zu entleeren. Des weiteren erhält der Patient einen Gürtel, an dem sich eine weitere Steuereinrichtung befindet, vor allem aber ein Ladegerät. Die Systeme des Implantats werden durch Energie aus Akkus betrieben. Nur einmal pro Woche müssen die Patienten den Gürtel umschnallen und per Ladegerät die Akkus aufladen. Sowohl Aufladung der Akkus als auch der Datentransfer von und zum Implantat sind völlig schmerzfrei. Den Patienten werden im Rahmen der Operation Magnetspulen unter die Bauchdecke implantiert, in denen durch Induktion der benötigte Strom erzeugt wird.

Großer Entwicklungsaufwand
Der Aufwand, der allein im Rahmen des Studiums betrieben werden konnte, reichte allerdings nicht aus, um das Produkt auf den Weg zur Marktreife zu bringen. Die Studenten Sebastian Schostek und Chi-Nghia Ho engagierten sich auch über das Ausgangsprojekt hinaus für die Lösung der Aufgabe. Der Aufbau des Implantats wurde bereits der Öffentlichkeit auf einer der größten medizinischen Messen, der MEDICA in Düsseldorf, mit Erfolg vorgestellt.

Erster Entwicklungsschritt abgeschlossen
Der erste Prozess der Produktentwicklung, der vollständige Entwurf, ist nun abgeschlossen. Eine Arbeit, die übrigens im Rahmen eines vom Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projektes stattfand. Im nächsten Schritt werden alle Komponenten des neu entwickelten Implantats in die erste Phase der Miniaturisierung gebracht. Das Ziel dabei ist, die Ausmaße der Prothese nicht größer als eine Zigarettenschachtel werden zu lassen.

passende Werkstoffe
Nachdem im Mittelpunkt der bisherigen Arbeit vor allem grundsätzliche Fragen zur Funktionalität standen, sind die Schwierigkeiten der kommenden Entwicklungsphasen vor allem praktischer Natur. Es gilt, die passenden Werkstoffe zu wählen und die Probleme der Energieversorgung, des Aufladens und der Ansteuerung des Implantats zu klären. Die Anforderungen an ein medizinisches System wie die beschriebene Prothese sind hoch.

Ziele der Entwicklung
Eine energetisch autarke, von außen steuerbare, durch Modularisierung individuell adaptierbare und komplett implantierbare alloplastische Kapselung müssen erreicht werden. Alle verwendeten Materialen müssen biokompatibel sein um keine Abstoßung des Körpers zu provozieren sowie den physikalischen Anforderungen der zu erwartenden Umwelt im Körper standhalten können. Die dennoch relativ kurze, angestrebte Entwicklungszeit von 4 bis 5 Jahren ist nur durch die bereits vorhandenen Arbeiten von Prof. H. Wassermann möglich, auf welche zurückgegriffen werden kann.

Weitere finanzielle Mittel fehlen noch
Für die Vollendung des Projektes werden noch Gelder benötigt. Daher können sich interessierte Investoren beim Leiter des Projektes, oder bei den Studenten und melden.