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Meine Inkontinenz
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Gerade zu Beginn einer Erkrankung fällt es schwer mit klaren Gedanken seine Situation mit oft kleinen Dingen einfacher und erträglicher zu machen. Auch wenn man mit einer Behinderung nicht gleich auf einen Rolli angewiesen ist, muß doch einiges an Unwegbarkeiten bewältigt werden. Ist man auf diesen angewiesen muß man sich zudem auch damit arrangieren das die Mobilität eingeschränkt ist. Es dauert eine Weile bis die täglich benötigten Hilfsmittel bestmöglich ausgewählt sind und deren Handhabung nicht mehr als zu große Belastung empfunden werden.
Mit der Inkontinenz im Alltag umgehen.
Oft wird befürchtet mit der Erkrankung entdeckt zu werden, früher oder später kommst du jedoch dahinter das es anderen kaum auffällt. Ob du jemanden einweihst oder nicht hängt von vielen Faktoren ab und hier scheiden sich die Geister. Es jemanden nicht zu erzählen ist anfangs sicher der einfachere Weg, es jemanden zu erzählen weil du befürchtest das dieser es eh früher oder später bemerken wird, kann jedoch auch der leichtere Weg sein. Erfahrungen zeigen durchweg positive Resonanz wenn Menschen im engen Umfeld damit konfrontiert werden. Auch wenn es weitläufig kaum jemand bemerken wird, daß du vielleicht sogar Hilfsmittel für starke Inkontinenz benötigst, gibt es Situationen an denen das Verbergen schwer fällt. Dazu gehört sicher auch der Arbeitsplatz.
Generell zu sagen das es besser oder schlechter ist dort jemanden einzuweihen liegt wohl an dem Arbeitsplatz selbst. Rein rechtlich bist du erst zur Unterrichtung verpflichtet wenn deine Arbeitskraft auf Grund der Erkrankung gemindert ist, eine GdB von min. 50% oder eine Gleichstellung vorliegt. Eins ist jedoch sicher, mit deiner Erkrankung mußt du dich nicht verstecken, oft sind es Menschen im engen Umfeld die sich fragen warum man sich so merkwürdig verhält. Mit Freunden, Bekannten oder enge Kollegin/en die um deine Erkrankung wissen läßt es sich in vielen Situationen einfacher umgehen.
Gehst du ungern aus dem Haus?
Vielleicht weil du für unterwegs nicht ausreichend gerüstet bist. Sei versichert, Inkontinenz ist kein Grund seine Mobilität unnötig einzuschränken. Oft ist es jedoch notwendig, unterwegs vieles in einem Rucksack oder Tasche dabei zu haben. Mache dir die Mühe und stelle dir alles zusammen was du für die nächsten Stunden benötigen könntest. Neben der Inkontinenzversorgung natürlich auch Medikamente die regelmäßig eingenommen werden müssen. Bedenke, daß du auch mal länger weg bist als gedacht, deshalb lieber zu viel als zu wenig mitnehmen. Und noch ein Tip: nehme lieber eine etwas dickere Windel, oder ziehe eine "Gummihose" drüber, wenn du länger unterwegs bist, das bringt dir schon eine gewisse Sicherheit. Es gibt heute sehr gute Windeln mit einer hohen Saugkraft, die sehr dünn sind aber trotzdem sehr sicher.
Verstecke dich nicht !
Nun, Inkontinenz ist kein Grund um sich von seiner Umwelt zurück zu ziehen. Gehe mal ins Kino, ind Theater oder besuche Freunde, du wirst sehen es ist nicht viel anders als vor deiner Erkrankung. Natürlich mußt du niemanden auf die Nase binden daß du Inkontinent bist, aber deinen Freunden und nächeren Angehörigen mit denen du engen Kontakt hast, solltest du es ihnen schon irgendwann einmal sagen. Wen du dich normal verhälst, dann wird niemand etwas von deiner Inkontinenz merken. Sicher gibt es ein paar Merkmale oder Handlungsweisen, die ein Inkontinenter sich mit der Zeit aneignet, aber das fällt nur jemand auf, der selber davon betroffen ist. So eine Handlungsweise ist zum Beispiel, wenn du von einem Stuhl aufstehst und dir mit der Hand an den Po fasst um zu prüfen ob die Windel dicht gehalten hat. Aber das wirst du mit der Zeit selber herausfinden, was es da alles gibt.
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Meine Wohnung
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Deine Wohnung ist dein Reich und da sollst du dich trotz deiner Inkontinenz auch wohlfühlen. Damit das klappt, haben wir dir hier einige Tips zusammengestellt, die dir dabei helfen sollen. Es sind die ganz alltäglichen Dinge, die doch eine entscheidente Rolle spielen können.
Deine "Vorräte"
Nun wo du deine Windeln lagerst mußt du dir halt überlegen, aber am besten nimmst du dazu einen etwas größeren Schrank den du abschließen kannst. Damit stellst du sicher, damit kein "Unbefugter" deine Windeln entdeckt und es zu peinlichen Fragen kommen kann. Hier kannst du auch die anderen Utensilien aufbewaren, die du für die Pflege so brauchst. Gebe deine Medikamente auch in einen Schrank und lasse sie nicht offen stehen, du weist ja nie ob ein Angehöriger oder einer deiner Gäste sich damit auskennt und die Medikamente erkennt. Genauso ist es mit deinen Pflegemitteln zur Inkontinenzversorgung, auch hier solltest keine "verdächtigen" Sachen offen stehen lassen.
Der Mülleimer
Sorge immer dafür, daß der Mülleimer in den du deine gebrauchten Hilfsmittel gibst regelmäßig geleert wird und verwende unbedingt einen Mülleimer mit Deckel. Es gibt auch spezielle Mülleimer für Windeln die eigentlich für die Babypflege entworfen wurden. Diese sogenannten "Windeltwister" sind Eimer, in denen sich ein Folienschlauch befindet, der mit einer geruchshemmenden Beschichtung versehen ist. Du gibst die gebrauchten Hilfsmittel dort hinein und drehst den Ring, damit die Windel im Folienschlauch verpackt ist. Wenn der Deckel geschlossen ist dann tritt kein Geruch aus. Diese Eimer bekommt ihr in den Babyabteilungen der Drogeriemärkte oder Kaufhäuser und kosten etwa 30,- Euro. Zugegeben sie sind nicht gerade billig, aber die Investition lohnt sich schon. Du kannst natürlich auch einfache Windeleimer mit Deckel nehmen, aber hier ist die Geruchsbelastung schon etwas größer.
Geruchsbelästigungen
Auch das kann ein Problem sein bei der Inkontinenzversorgung. Denn gerade im Sommer kann die Geruchsbelästigung schon so groß sein, daß es Außenstehende mitbekommen, daß du ein Inkontinenzproblem hast. Hie gibt es auch gute Raumspray's, die speziell für die Inkontinenzversorgung entwickelt wurden und die entstehenden Gerüche wirksam überlagern. Aber du solltest auch deine Wohnung öfter durchlüften und versuchen, deine Hilfsmittel zu wechseln, sobald sie verschmutzt sind. Das kommt deiner Haut zugute und die Geruchsbelästigung hält sich im Rahmen.
Dein Bett
Hier solltest du dir unbedingt einen Schutz ins Bett geben, um zu verhindern, daß deine Matratze etwas abbekommt, wenn doch mal die Windel nicht dichthält. Du kannst zum Beispiel unter dein Bettlaken ein PVC-Spanbettlaken geben, das die Nässe zurück hält. Und ist doch mal etwas passiert, dann mußt nur das Bettzeig waschen, aber deine Matratze bleibt heil.
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Meine Inkontinenz, die fast unendliche Geschichte
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......oder wie gelernt habe, damit klar zu kommen
Mein Name ist Willi (von der Redaktion geändert) und ich möchte euch meine Leidensgeschichte einmal etwas näher bringen. Ich habe lange überlegt, ob ich das so öffentlich tun soll, aber ich meine es hilft auch denen, die sich nicht trauen so offen damit umzugehen.
1994 erlitt ich beim Sport einen vierfachen Bandscheibenvorfall in Bereich der Lendenwirbelsäule. genauer gesagt in den Etagen S1 - L2. Bis zu dem Zeitpunkt des Unfalles habe ich niemals mit Rückenbeschwerden zu tun gehabt. Es wurde durch meinen damaligen Arzt erst einmal wie ein Lumbago behandelt, und erst zwei Wochen später, als ein gehen schon fast unmöglich war wurde ich in ein Krankenhaus verbracht. Auch dort versuchte man erst eine Konservative Therapie, welche nach 5 Tagen eine absolute Bewegungsunfähigkeit in den unteren Extremitäten, einen Ilius sowie vollkommenen Harnverhalten mit sich brachte. Zu diesem Zeitpunkt habe ich nicht mal den Verdacht einer Inkontinenz in Erwägung gezogen.
Sofort wurde ein CT angeordnet, welches dann die Wirkliche Ursache an den Tag förderte. Die Diagnose lautete vierfacher Bandscheibenvorfall mit sequestierung der Bandscheide L5-S1 und massiver Caudaimpresion. Noch am gleichen Tage wurde ich Notfallmäßig in der Uniklinik Kiel operiert. Nach der Operation ging es mir dementsprechend gut. Ich hatte wieder Gefühl in den Beinen, wenn auch gemindert, aber es war da. Die Darmtätigkeit regte man mittels Irrigation wieder an, und das Harnverhalten war durch eine Kathederesierung beendet worden. Nach 8 Tagen wurde ich aus der Klinik entlassen, doch bevor ich ging wurden mir noch Medikamente zum Zwecke einer Therapie verordnet, der Katheder wurde gezogen, und ich fühlte mich dementsprechend gut oder auch schlecht.
Wie hat sich die Inkontinenz erstmals bemerkbar gemacht?
Wie du in der Anamnese siehst gab es verschiedene Restsymptomatiken die ich mit nach hause nahm. es wurde eine Ambulante Physiotherapie eingeleitet. Ich habe mir erst einmal gedacht das die Inkontinenz, welche eigentlich zu diesem Zeitpunkt nur Nachts auftrat durch die Schmerzen beim Wasserlassen (geistige Blockade) und der Tatsache des Katheders begründet war. Erst als sich das Problem der Inkontinenz nicht besserte sondern durch einen 1997 nochmaligen sequestrierten Bandscheibenvorfall L2 - L3 mit einer wieder eintretenden Caudaimpresion der bereits geschädigten Nervenwurzel auch noch Tagsüber einstellte machte ich mir Sorgen.
Mein Arzt und die Neurochirurgen teilten mir aber mit das so etwas nach einer Operation normal sei und sich mit der Zeit wieder legen würde. Die geschädigte Nervenwurzel müsse sich erst wieder regenerieren. Davon abgesehen hat sich die Nervenwurzel bis heute nicht regeneriert und es ist unwahrscheinlich das sie es noch macht.
welche Gefühle hat das hervorgerufen?
Die durch die Inkontinenz hervorgerufenen Gefühle haben eigentlich je nach Situation die gesamte Bandbreite des Negativen erreicht. Ich würde sie in Stufen einteilen:
Die erste Stufe:
da habe ich mir Sorgen gemacht und mich geschämt, schließlich war ich fast dreißig Jahre alt, verheiratet und hatte eine zwei Jährige Tochter.
In der zweiten Stufe:
Fing ich an immer mehr zu Grübeln Den durch familiäre Situationen in meinem Elternhaus war ich sehr lange Bettnässer, die Inkontinenz hat mich also wieder in den vorher überwundenen emotionalen Schmelztiegel der Kindheit zurückgeworfen. Nicht das ich infantil wurde, nein es kam mir nur so vor als wenn ich wieder Bettnässer wäre, es dauerte sehr lange zu realisieren das es sich bei der Inkontinenz um eine eigenständige Symptomatik handelte die ihr eigenen Ursachen hatte.
In der dritten Stufe:
Begann ich mich immer mehr sozial zu isolieren, ich dachte das jeder sehen, hören, riechen und wissen würde das ich Inkontinenz Slips tragen würde (ich bevorzuge diesen Ausdruck, da ich die Begrifflichkeit Windeln nicht mag). Es machte mich einsam und sauer zugleich. Ich gab jedem die Schuld an meiner Inkontinenz, den Ärzten als erstes, meinen Eltern weil ich zwischenzeitlich immer wieder an das Bettnässen denken musste, vor allem am Morgen. Und schließlich meiner Familie, denn hätte ich diese nicht gehabt wäre mein Leben bestimmt anders verlaufen.
Zur vierten Stufe:
Da muss ich sagen das es eine Stufe der Bewältigung und des Aufarbeitens ist, denn wie man sich denken kann wird es schwer wenn man immer einsamer wird. Ich habe die vierte Stufe meiner Frau zu verdanken. Sie hat mir gezeigt das sie zur mir steht, das die Welt nicht weiß das ich Inkontinent bin und es nun mal Schicksal war das es so gekommen ist. Von diesem Zeitpunkt an habe ich versucht mich Konstruktiv mit der Inkontinenz auseinander zu setzen, und habe dadurch den Weg zu der dir nun bekannten Seite im Internett gefunden. Ich musste feststellen das es jede Menge Menschen gibt die das gleiche "Problem" wie ich haben. Und sie leben alle Ihr leben weiter. Was sollte denn nun noch dagegensprechen es Ihnen nicht nachzumachen.
Und habe festgestellt das es eine fünfte Stufe gibt:
In der es eigentlich nur noch um ein Leben mit der Inkontinenz geht. Was ich damit meine ist die ständige Suche nach dem passenden Hilfsmittel und dem Bedürfnis anderen inkontinenten Menschen zu helfen. Welche Tätigkeiten im Alltag sind durch die Inkontinenz eingeschränkt bzw. nicht mehr möglich?
Dazu muss man feststellen um welche Form der Inkontinenz und besonders um welchen Schweregrad es sich handelt. Ich bin mittlerweile vollkommen Harninkontinent und möchte hier alle Tätigkeiten aufführen die ich nicht mehr ausübe.
Ein für mich sehr wichtiger Punkt ist das Baden in einem Schwimmbad.
Dieses führe ich nicht mehr durch da es extrem schwer ist ein geeignetes Produkt zu finden welches dem jeweiligen Menschen zusagt. Des weiteren habe ich ein ungeheuer hoch angesiedeltes Scharmgefühl, dies blockiert mich weiterhin es auch nur zu versuchen.
Ein weiterer Faktor ist die berufliche Tätigkeit.
Es wird sicherlich den einen oder anderen Beruf geben in dem es unmöglich erscheint Inkontinenzslips zu tragen. Verschiedene Gründe können zum Beispiel die fehlenden Sanitären Einrichtungen sein, siehe Baugewerbe. Das lasse ich also auch lieber sein. Ich kann nicht mehr in den erlernten Berufen arbeiten, das es sich dabei um Berufe der Baubranche handelt. Feststellen muss ich an dieser Stelle aber auch das der eigentliche Hindernisgrund selten die Inkontinenz oder das Produkt ist, sondern eher der eigene Geist der es als undurchführbar erscheinen läst. Wie man sieht lebe ich nun schon seit 8 Jahren mit der Inkontinenz und es fällt mir immer wieder etwas neues ein was ich wieder versuchen möchte.
Wie hast Du/haben Sie darauf reagiert?
In der ersten Reaktion verbittert und Sauer, das beschreibt wohl richtig die Gefühle die sich in mir breit machten, aber auch im nachhinein der Wunsch es doch zu versuchen.
Hast du/Haben Sie in der Familie über Inkontinenz sprechen können?
Erst einmal nicht, man ist einfach nur introvertiert und möchte am liebsten vor Scharm in dem Boden versinken. Doch zum Glück hat mich meine Familie dazu gebracht doch darüber zu reden. Ich muss sagen das es wichtig war und immer noch ist darüber zu reden, und jeder der es versucht wird sich wundern wie positiv die Reaktionen des eigenen Umfeldes doch sind.
Ich möchte noch ein kleines Resümee anfügen das ich als besonders wichtig erachte. Jeder Mensch der inkontinent ist oder wird soll aus dem Erfahrungsschatz eines anderen gerne lernen und versuchen ein Leben trotz Inkontinenz zu führen. Es geht wirklich es gibt ein Leben mit der Inkontinenz wie mein Beispiel zeigt. Sicherlich wird es viele Tiefen aber auch genauso viele Höhen geben die einem das Leben doch als "normal" Lebenswert erscheinen lassen.
Ich bin immer noch mit meiner wunderbaren Frau verheiratet, und habe mit ihr mittlerweile drei wunderbare Kinder. Diese Kleinen haben mir gezeigt das es unwichtig ist welche Unterwäsche man trägt, das es unerheblich ist was man nicht kann, das es überhaupt nur darauf ankommt das man Leben will und ihnen ein guter Freund sein kann. Des weiteren habe ich mir einen neuen Freundeskreis aufgebaut nachdem ich Anfangs den alten "weggeworfen" habe. Alle meine Bekannten und Freunde wissen um mein Problem und es ist für sie kein Makel den man mit sich trägt sondern ein Zustand mit dem man ganz normal im Leben stehen kann. Ich möchte an dieser Stelle allen Menschen danken, die sich so aufopferungsvoll und hilfsbereit mir in den Weg gestellt haben.
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen für eure Zukunft
Willi, ein Betroffener
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