Inkontinenz und Partnerschaft
 
Inkontinenz und Beziehung

Oft taucht in den Foren immer wieder die Frage auf, wie man trotz Inkontinenz zu einer Beziehung findet. Und die Frage ist nicht mit einem Standardsatz zu beantworten. Aber ich kann aus meiner Erfahrung berichten und weiß, dass es klappen kann. Aber ich muß wirklich erst einmal zurück zum Anfang. Klar, als ich inkontinent wurde, habe ich das Thema Partnersuche erst einmal ganz weit weg geschoben, so weit es ging. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich trotz der Behinderung eine Frau finden würde. Und ich konnte mir schon gar nicht vorstellen, mit jemandem über meine Inkontinenz zu sprechen. Das ist peinlich, über so etwas spricht man nicht. Dachte ich jedenfalls.

Aber mit der Zeit, und die dauerte bei mir fast fünf Jahre, lernte ich, dass ich als Mensch nicht schlechter als andere bin, nur weil ich eben keine Kontrolle über meinen Urin hatte. Ich behielt die Inkontinenz in meinem direkten Lebensumfeld immer noch für mich, aber ich begann schon, im Internet nach Informationen zu suchen und mein Leben lockerer zu leben. Inkontinenz ist nicht alles. Dann lernte ich meine Frau kennen. Sie war eine Arbeitskollegin und kannte mich schon ziemlich lange. Wir verstanden uns von Anfang an gut. Später fragte ich sie mal, was sie an mir so toll fand und sie meinte, es wäre meine offene Art gewesen, meine Lockerheit, mit dem Leben umzugehen. Von meiner Inkontinenz wusste sie nichts.

Es kam, wie es kommen musste. Wir wurden Freunde und hatten unseren ersten gemeinsamen Urlaub. Sie wusste immer noch nichts und so musste ich ziemlich viel auf mich nehmen, um es "geheim" zu halten. Allerdings zogen wir nach dem Urlaub in eine gemeinsame Wohnung und da war es vorbei mit der Geheimnistuerei. Ich brachte am Abend meine Lieferung Windeln mit nach Hause.

Jetzt oder nie war meine Devise und sie öffnete das Paket. Klar, sie war sehr erstaunt, als sie eine Windel in der Hand hielt. Dann schaute ich sie nur an und meinte, "Ja, ich bin inkontinent...". Sie schaute zurück, lächelte mich an und meinte nur "Das macht mir nichts aus.". Nun, seither lebe ich viel entspannter mit meiner Inkontinenz, weil ich mir endlich Fragen beantworten konnte, die ich vorher nur mir selbst stellen konnte. Wenn selbst meine Frau nicht merkt, dass ich eine Windel trage, wie sollen es dann Fremde merken? Um nur eine Frage zu nennen.

Als ich gebeten wurde, diesen Beitrag zu schreiben, habe ich mir schon überlegt, was es letztlich ausgemacht hat oder ob es nur Glück war, dass ich so eine verständnisvolle Frau gefunden habe. Nein, das ist es nicht. Ich habe nach einem Menschen gesucht, den ich liebe und der mich liebt und es ist egal, welche Schwächen eine Mensch hat, niemand ist vollkommen. Inkontinenz ist nichts, was einem die Liebe schwerer macht oder das Zusammenleben. Man muß sich nur ein wenig darauf einstellen, dass ist schon alles.

Deine innere Einstellung zu einer Partnerschaft und zu deiner Inkontinenz ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer guten Beziehung. So lange du dir selbst Schranken in deinem Leben aufbaust, wird es auch nicht funktionieren, wenn du aufhörst, darüber nachzudenken, wirst du es einfach tun und auch Erfolg haben. Und sollte einmal kein Verständnis da sein, dann macht das nichts, diese Frau/dieser Mann wäre nichts für dich gewesen, weil er sich an Äußerlichkeiten festmacht und nicht an dem, was dich wirklich als Menschen auszeichnet - deine inneren Werte.

Und wie sieht's im Liebesleben aus ?

Was auch schön ist: Inko und Sex

Eigentlich entspricht es nicht meinem Naturell, über so ein Thema zu schreiben. Aber auch Sexualität gehört zu unserem Leben und sollte nicht enden, nur weil wir inkontinent sind. Als ich durch meinen Unfall inkontinent wurde, war das Thema Partnerschaft vor allem passe für mich, weil ich mir nicht vorstellen konnte, ob Sex jetzt überhaupt noch möglich ist. Aber meine spätere Partnerschaft zeigte mir, dass alles möglich ist.

Kontinent, geht das?

Du kennst deinen Körper am besten, du kennst deine Inkontinenz am besten. Es gibt immer Zeiten, in denen du "kontinent" bist, 30 Minuten oder auch länger. Nun du mußt aber schon was dafür tun. Es gibt ja auch Katheter, damit du deine Blase vorher entleeren kannst. Und wenn dein Darm nicht mehr mitspielt, na da gibt auch Möglichkeiten. Du kannst dir Analtampons verschreiben lassen oder du machst dir vorher einen Einlauf. Das Bett kannst du mit einem wasserdichten Spannbettuch schützen, das du unter das normale Bettuch gibst. Zusätzlich kannst du auch noch eine saugfähige Einmalunterlage darunter geben. Noch einen Tip, damit es keinen Unfall gibt; trinke nichts mehr etwa 1 Stunde vor dem Geschlechtsverkehr, das mindert die Urinproduktion und hilft somit eine Unfall vorzubeugen. Denn eine gute Vorbereitung ist schon die halbe Miete.

Klar daß ihr euch etwas im Liebesleben umstellen müßt, aber es findet sich immer ein Weg. Ihr könnt das Vorspiel etwas abkürzen und nach dem Geschlechtsverkehr euere Versorgung mit den Inkontinenzhilfsmitteln in das Liebesspiel mit einbauen. Seid einfach etwas Kreativ, ihr werdet eueren Weg schon finden.

Und wenn's doch passiert?

Sollte es doch mal zu einem Unfall kommen, na was ist denn schon dabei. Lerne einfach, loszulassen, dich auf deinen Partner zu konzentrieren und das Gefühl von Wärme und Geborgenheit zu genießen. Du musst nur wollen und auf deinen Körper hören. Der Rest ergibt sich von allein.

Inkontinenz und Sexualleben aus medizinischer Sicht

In einer Studie wurde festgestellt, daß etwa 24% der inkontinenten Frauen auch beim Geschlechtsverkehr inkontinent sind, davon zwei Drittel bei der Penetration und ein Drittel beim Orgasmus. Der Mechanismus ist noch unbekannt, was kaum überrascht, da er sich schwer untersuchen läßt. Wahrscheinlich liegen dem Problem entweder mechanischer Druck oder eine Detrusorkontraktion zugrunde. Bisweilen beseitigt oder lindert die Behandlung einer bekannten Blasenfunktionsstörung, zum Beispiel die medikamentöse Therapie einer instabilen Blase, auch die Inkontinenz.

Dieses spezielle Problem anzusprechen, mag der Patientin schwer fallen. So oder so ist eine mögliche Quelle seelischer Belastungen und Peinlichkeiten, über die die Patientin mit ihrem Partner vielleicht nicht sprechen kann.Es bedarf zum einen eines erheblichen Aufwandes, um sie davon zu überzeugen, daß dieses Symptom keine pathologische Bedeutung hat, zum anderen muß sie darüber beraten werden, wie sie im Leben nach und nach damit zurecht kommt.

Stellungswechsel kann helfen

Ein Stellungswechsel beim Geschlechtsverkehr kann das Problem lindern, vor allem wenn sich dadurch der mechanische Druck verringern läßt, etwa durch ein Eindringenvon Rückwärts. Es sollte der betroffenen Patientin geraten werden, die Blase vor dem Geschlechtsverkehr so weit es geht zu entleeren und ggf. das Bett zu schützen. Manche Frauen mit schwierigkeiten beim Orgasmus stellen fest, daß ihr sexuelles Vergnügendurch Beckenbodenübungen zunimmt. Der Beckenboden kontrahiert sich beim Orgasmusreflektorisch, und diesläßt sich durch einen erhöhten Tonus und eine stärkere Muskelmasse intensivieren. Männer mit Tröpfelinkontinenz können auch Kondome verwenden, um den Urin aufzufangen.

Und wenn doch nix geht?

Gerade bei neurologisch bedingter Inkontinenz kann es häufig auch zu Problemen mit der Sexualität kommen. Beim Mann, und hier gerade in jüngeren Jahren, treten hier in den meisten Fällen seelische Probleme auf. Durch die Unfruchtbarkeit, den Verlust seine Gene weiter zu vererben und die fehlende Erektionsfähigkeit kann das Selbstwertgefühl dermaßen herabgesetzt werden, dass Folgeerkrankungen wie schwere Depressionen ausgelöst werden können. Du solltest dich hier psychologisch betreuen lassen. Eine große Hilfe kann auch der Kontakt mit Gleichbetroffenen sein, den du über Selbsthilfegruppen bekommen kannst. Eine Hürde hierfür wird oft sein, offen über deine Probleme zu reden. Denke aber daran, hier hast du es mit selber Betroffenen zu tun, denen du dich sich anvertrauen kannst.

Die fehlende Zeugungsfähigkeit kann dir niemand zurück geben. Aber für die fehlende Gliedsteife gibt es Hilfsmittel. Hier sind in erster Linie Penispumpen in Verbindung mit Penisringen zu nennen.

Injektionen in den Penis (SKAT) und Medikamenten-Instillationen in die Harnröhre, von wo aus sie direkt in die Schwellkörper dringen können, um dort ihre Wirkung zu erreichen (Prostaglandin E1) sind eine andere Möglichkeit. Sie wirken nur lokal und belasten den Organismus nicht mit schädigenden Nebenwirkungen. Da diese Methoden jedoch dosisabhängig sind, sollten sie nur unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt werden.

Medikamente wie Viagra, die eine dauerhafte Gliedsteife hervorrufen können, um einen normalen Geschlechtsverkehr zu gewährleisten, sind seit einigen Jahren erfolgreich auf dem Markt. Da sie gefäßerweiternd auf den gesamten Organismus wirken, ist dieses aber nur unter ärztlicher Aufsicht zu empfehlen, da hier unerwünschte und in wenigen Fällen auch mit lebensbedrohlichen Nebenwirkungen zu rechnen ist.

Auch die Möglichkeit eines Penis-Implantats gibt es, bei der Kunststoff-Implantate in die Schwellkörper des Penis eingesetzt werden. Dies ist ein Eingriff, der irreparabel ist. Zu groß sind die Verletzungen des Penisgewebes.

Ich kann hier keine Empfehlung für das eine oder andere Hilfsmittel geben, um eine Erektion zu erreichen. Die Wahl des Hilfsmittels ist individuell zu verschieden und hängt von den jeweiligen Umständen ab.

Du solltest dich hier mit deinem Urologen beraten und die Hilfsmittel unter seiner Aufsicht anwenden. Zur Finanzierung der hier beschriebenen Hilfsmittel ist zu sagen, dass sie, wenn sie vom Arzt verschrieben sind, von den Krankenkassen bezahlt werden.

Aber auch ohne Gliedsteife ist ein befriedigendes Geschlechtsleben mit anderen Sexpraktiken möglich, da der Orgasmus nicht von einer Gliedsteife abhängig ist. Denn der Orgasmus spielt sich im Kopf ab. Der einzigste Nachteil ist, dass du ohne besagte Hilfsmittel nicht in die Partnerin eindringen kannst, was du aber nicht unbedingt vermissen wirst. Auf keinen Fall solltest du wegen dieser Nebenfolgen auf die Zystektomie verzichten.