TVT - "Tension-free Vaginal Tape"
Wer unter Harninkontinenz leidet und wenn sich im Rahmen der weiteren Abklärung mittes urogynäkologischer Diagnostik und urodynamischer Messung herausstellt, daß diesem Urinverlust eine Stressinkontinenz zu Grunde liegt, ist eine operative Therapie möglich. Neben den bislang etablierten Operationsverfahren, wie den Kolposuspensionen (z.B. Operation nach Burch) oder den Nadelsuspensionen (z.B. Operation nach Pereyra) findet eine relativ neue Operationsmethode, die "TVT-Operation", zunehmend weite Verbreitung. Diese Operationsmethode wurde von Prof. Ulmsten an der Universität in Uppsala, Schweden, entwickelt und erstmalig 1995 vorgestellt.
Hintergrund des Wirkungsmechanismus der Operation liegt in der urodynamisch nachgewiesenen Wichtigkeit der im Bereich der mittleren bis äußeren Harnröhre gelegenen Bandsrukturen für die Erhaltung der Harnkontinenz. Ist es im Rahmen der Erschlaffung der Beckenbodenmuskulatur durch schwere körperliche Arbeit, vorausgegangene Geburten zur Lockerung bzw. Zerreißen dieser Bandstrukturen gekommen, resultiert dadurch ein unwillkürlicher Urinverlust, eine Stressinkontinenz. Daher liegt es hier nahe, diese defekten Bandstrukturen operativ zu ersetzen. Dies geschieht im Rahmen dieser Operation durch das Einbringen eines Netzbandes von der Scheidenvorderwand ausgehend seitlich an der Harnröhre vorbei bis zur Bauchwand. Dadurch wird die Harnröhre im äußeren Drittel von dem spannungsfrei eingebrachten Netzband ("Tension-free Vaginal Tape") entsprechend der ersetzten Bandstrukturen hängemattenartig umfasst, kann dadurch wieder einen ausreichenden Harnröhrenverschlußmechanismus bilden und somit die Kontinenz wieder herstellen.
Welche Vorteile bietet diese Operationsmethode der Patientin?
Gute Heilungsraten durch die TVT-Operation
In der internationalen Literatur komplette Heilungsrate bei etwa 85 - 95% der Patientinnen, deutliche Besserung bei etwa 10 - 15% der Patientinnen, nur etwa in 2 - 5% der Fälle erfolglos. In diesen letzteren Fällen wäre die Operation durch TVT wiederholbar, auch andere Inkontinenzoperationen sind nach TVT-Operationen uneingeschränkt durchführbar.
Gute Kombinierbarkeit anderer vaginaler Operationen mit TVT
Die TVT-Operation kann als alleinige operative Therapie bei nachgewiesener Stressinkontinenz durchgeführt werden, kann aber auch sehr gut mit anderen eventuell erforderlichen Operationen, wie zum Beispiel der gleichzeitigen Entfernung der Gebärmutter, Korrektur einer Blasensenkung o.ä. kombiniert werden.
Kurzer Krankenhausaufenthalt
Da es sich um eine minimal-invasive Operationstechnik handelt, bei der kein eigentlicher Bauchschnitt erforderlich ist, da von der Scheide aus operiert wird und die Bauchhöhle nicht eröffnet wird, beträgt der stationäre Aufenthalt nur wenige Tage.
Keine Vollnarkose erforderlich
Dieser Eingriff wird entweder in lokaler Betäubung oder aber meist, da für die Patientin angenehmer, in Regionalanästhesie (z.B. Spinalanästhesie oder Peridualanästhesie) durchgeführt, da die wache und schmerzfreie Patientin durch ein Hustenmanöver in der Operation entscheidend dazu beiträgt, das Netzband exakt unter der Harnröhre anzuspannen.
Ein eng umhülltes Polypropylen-Netzband, das an beiden Enden mit einer Führungsnadel versehen ist, wird durch einen etwa 1,5 Zentimeter großen Einschnitt in der vorderen Scheidenwand U-förmig um die Harnröhre plaziert. Die beiden Enden des Bandes werden nacheinander rechts und links seitlich hinter den Schambeinästen vorbei bis zur Bauchdecke und dort durch zwei kleine, bereits vorbereitete abdominale Inzisionen, nach außen geführt. Die Inzisionen liegen etwa zwei bis drei Zentimeter bilateral der Mittellinie und knapp oberhalb der Symphyse. Eine am Nadelende befestigbare Einführhilfe erleichtert die Manipulation. Um iatrogene Verletzungen der Blase sofort zu erkennen, sind peri- und postinterventionelle zystoskopische Kontrolluntersuchungen notwendig.
Nachdem das noch umhüllte Band regelrecht gelegt ist, wird die Patientin bei gefüllter Blase aufgefordert zu husten, was inkontinenzbedingt einen schwallartigen Urinabgang bewirkt. Mit vorsichtigem Zug an beiden Enden des die mittlere Harnröhre U-förmig umschlingenden und durch die Bauchdecke ragenden Netzbandes strafft der Operateur dieses nun gerade so weit, daß unter Hustenprovokation trotz gefüllter Blase nur noch ein kleiner Tropfen Urin abgeht. Dies bedeutet, daß Harnröhre und Blasenhals unter Belastung nun kontinenzgerecht gestützt werden. Jetzt wird die Schutzhülle entfernt. Dabei entfaltet sich das Netzband und wird nun allein durch Adhäsionskräfte sicher in seiner justierten Lage fixiert. Daher sind keine zusätzlichen Verankerungen nötig. Die beiden Bandenden werden nun subkutan gekappt und die zwei kleinen Inzisionen in der Bauchdecke sowie der Vaginalwandschnitt vernäht. Im Verlauf der folgenden Monate wird das Implantat von körpereigenem Bindegewebe durchwuchert. Abstoßungsreaktionen kamen bislang nicht vor.
Kein Blasenkatheter nach der Operation erforderlich
Durch den Verzicht auf eine Vollnarkose und die geringe operative Belastung ist es der Patientin bei alleinigen TVT-Operationen in aller Regel möglich, wenige Stunden nach dem Eingriff aufzustehen und spontan wasserzulassen.
Geringe Komplikationsrate der TVT-Operation
Akute Komplikationen sind selten. Mit einer Prävalenz von fünf Prozent stehen dabei Blasenperforationen durch die Führungsnadel im Vordergrund, wobei solche Verletzungen üblicherweise unproblematisch sind. Der wesentliche Nachteil des Verfahrens ist möglicherweise ein hohes Risiko von Verletzungen umliegenden Gewebes, sowie der Notwendigkeit, diesen Bandaufhängungsmechanismus durch die Bauchdecken führen zu müssen, das zu Verletzungsmöglichkeiten der Blase, des Harnleiters, der Gefäße und andere umliegende Gewebe führen kann.
Langfristiger Erfolg
Mit dem Erfolg der Intervention, die auch ambulant erfolgen kann, ist bereits wenige Stunden nach dem Eingriff zu rechnen. Bei etwa 85 Prozent der Patientinnen werde die Belastungs-Inkontinenz vollständig beseitigt und bei weiteren zehn Prozent deutlich gebessert. Fünf-Jahres-Daten von mehreren hundert Frauen belegten, daß diese Erfolgsraten auch langfristig erhalten bleiben. Wie Gut die Erfolgsraten nun tatsächlich über einen längeren Zeitraum sind, das muß erst noch in Studien ermittelt werden.