Wie spreche ich es an?

Du hast mit Darmschwäche, Stuhlinkontinenz oder sonstigen Darmproblemen zu kämpfen? Hier bist Du richtig!

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Wie spreche ich es an?

Beitrag #1 von Ankertie » 18 Jun 2020 12:22


Hallo liebe Community,

Ich bin neu hier und ehrlich gesagt auch komplett neu bezüglich des Themas Stuhlinko. Zwar habe ich schon mein ganzes Leben damit zu tun (hatte eine Analatresie als Kind), aber da es immer relativ leicht ausgeprägt war, bin ich es nie wirklich "angegangen".

Nun bin ich aber momentan in einer Phase, in der es mich sehr psychisch belastet. Möchte mein Leben eigentlich voll auskosten (bin eine junge Frau, Studentin, eigentlich stabiles Sozialleben etc.) und habe doch das Gefühl, dass die Stuhlinko mich sehr einschränkt, gerade im partnerschaftlichen Bereich.

Ich habe eigentlich tausend Fragen, aber eine stelle ich ganz konkret:

Wie spreche ich es an?

Beim Arzt, beim Therapeuten, bei Freunden, bei möglichen Partnern...
Habe mir diese Frage früher nicht gestellt, da es für mich völlig klar war, es "geheim halten" zu wollen und zu können. Ich möchte dieses Versteckspiel aber nicht mehr spielen, da ich merke, dass ich mich dadurch doch (auch wenn ich es ungern zugebe) isoliere, und mir auch irgendwie immer vorkomme, als hätte ich ein "schmutziges Geheimnis" (haha), dabei ist es ja "nur" eine körperliche Einschränkung für die ich nichts kann. Bin beim Proktologen in Behandlung allerdings wegen Bluten und Schleim aus dem Po, von meiner Inko habe ich ihm nichts erzählt, da ich mich geschämt habe. Ich weiß, dass das bescheuert ist, aber in dem Moment wusste ich einfach nicht, wie ich davon am besten anfange.
Meine Therapeutin, die ich auch aufgrund anderer Thematiken habe, weiß auch nichts davon und ich würde es eigentlich gerne ansprechen, da eine Vielzahl meiner Probleme und Sicherheiten sicherlich auch damit zusammenhängen, aber weiß auch da nicht wie.
Ich hatte bisher noch nie längere Partnerschaften, und vor "Gelegenheitsbekanntschaften" konnte ich das Problem immer ganz gut geheim halten, wie auch vor den meisten Freunden und Familienmitgliedern. Es bandelt sich bei mir jedoch gerade wieder was mit jemandem an und ich kann und möchte dieses Thema einfach nicht weiter verschweigen.
Es fällt mir nur so unglaublich schwer, darüber zu reden. Bisher habe ich das nur mit meiner Mutter getan, und selbst da nur verhalten, obwohl sie sehr verständnisvoll ist. Ich schäme mich einfach sehr stark für meine Inko, obwohl ich rational weiß, dass ich das nicht sollte, da es 1. nicht meine Schuld ist, 2. ich es sowieso nicht ändern kann. Ich habe auch einen Reizdarm, der mich zusätzlich belastet, weil ich dadurch häufig starke Blähungen hab und zwar oft unabhängig von dem, was ich esse.
Ich versuche echt immer mir selbst in den Arsch zu beißen und mich nicht sozial zu isolieren, weil ich weiß, dass das alles nur noch schlimmer macht. Aber mit ständigen Blähungen, die ich oft nicht zurückhalten kann, sind viele soziale Situationen so verdammt anstrengend. Damit, den Stuhl nicht zurückhalten zu können habe ich viel seltener Probleme, kommt aber auch vor, gerade bei Durchfall. Hilfsmittel benutze ich nicht, da sie für mich bisher eigentlich nicht nötig waren.

Das ist alles etwas wirr geschrieben, aber vielleicht hat es ja der/die eine oder andere trotzdem zu Ende gelesen und kann mir einen Rat geben.

Liebe Grüße
eure Ankertie :winke:
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Re: Wie spreche ich es an?

Beitrag #2 von Helmut » 25 Jun 2020 10:30


Hallo Ankertie,

erst mal herzlich willkommen bei uns hier im Forum. :sm13:

du musst dich wegen deiner Stuhlinkontinenz nicht schämen, aber du musst das Problem angehen und darfst es nicht verdrängen.

Eine Analatresie hat oft eine Stuhlinkontinenz zur Folge und wird in der Regel auch schon in der Kindheit entsprechend behandelt, wie war das bei dir?

Dein erster Ansprechpartner ist jetzt dein Proktologe, sage im alles einfach gerade heraus, deine Analatresie als Kind, deine Stuhlinkontinenz. Er wird es verstehen, denn er hat ja jeden Tag damit zu tun, es muss dir also nicht peinlich sein, mit ihm darüber zu reden. Er wird dann durch entsprechende Untersuchungen die genaue Ursache der Stuhlinkontinenz versuchen, heraus zu finden und dir dann eine Behandlungsstrategie vorschlagen. Das beinhaltet ein Darmmanagement zur gezielten und geplanten Entleerung des Darmes, sowie eine entsprechende Ernährung dazu. Deine anderen Probleme wie Schleim aus dem Po könnten durchaus auch mit deiner Stuhlinkontinenz in Verbindung stehen.

In deinem Fall könnte eine Irrigation (spezielle Form der Darmspülung) in Verbindung mit Analtampons mehr Sicherheit bieten. Zusätzlich haben sich die tägliche Einnahme von Flohsamenschalen zur Stuhlandickung bewährt, besonders bei gleichzeitigem Reizdarmsyndrom. Zur Sicherheit könntest du Pants tragen falls doch mal Stuhl abgeht, dann bleibt wenigstens die Wäsche sauber. Solltest du einen schwachen Schließmuskel haben, so könnte der Proktologe dir eine Elektrostimulationstherapie mit einer Rektalsonde anbieten, um den Schließmuskel zu stärken.

Auf alle Fälle solltest du auch mit deiner Therapeutin darüber sprechen, sie kann dir dabei helfen, wie du mit deiner Stuhlinkontinenz besser umgehen und du leichter darüber sprechen kannst. Wenn du Selbstsicher damit umgehst und zu deiner körperlichen Einschränkung stehst, dann wird dir einiges im Leben leichter fallen. Klar musst du es nicht jedem auf die Nase binden dass du von Stuhlinkontinenz betroffen bist, aber wenn dich jemand darauf anspricht, dann stehe dazu und erkläre es ihm. Du kannst ja nichts für deine angeborene Fehlbildung und der damit verbundenen Probleme.

Auch in einer Beziehung bzw. sich anbahnender Beziehung musst du offen sein, denn es wird früher oder später heraus kommen. Klar musst du es nicht schon am ersten Tag sagen, aber wenn sich etwas Ernsthaftes ergibt, dann solltest du es offen ansprechen. Sollte sich dein Freund/Partner daraufhin von dir abwenden, dann ist das ein Zeichen dafür, dass eine Beziehung nicht Bestand haben wird, weil der andere Part nicht damit umgehen kann oder will.

Also nur Mut, nimm es in die Hand und mache was daraus, du hast dein ganzes Leben noch vor dir.

Viele Grüße Helmut
Ich bin nicht ganz dicht .......na und!
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Re: Wie spreche ich es an?

Beitrag #3 von Ankertie » 29 Jun 2020 10:22


Hallo Helmut,

Vielen Dank für deine ausführliche Antwort!
Zu deiner Frage: als Kind wurde bei mir nichts entsprechendes gemacht, da meine Inkontinenz recht gering ausgeprägt ist, und meine Eltern dementsprechend davon gar nichts gemerkt haben. Und ich habe es als Kind auch nicht als Problem wahrgenommen, zumindest nicht, soweit ich mich erinnere. Meine Analatresie war wohl auch eine "unkomplizierte" Form, und von den Ärzten wurde meinen Eltern "grünes Licht" gegeben, dass alles soweit in Ordnung sei. Ich kann mich nicht erinnern, nochmal bei der Nachsorge gewesen zu sein, als ich älter war, und meine Mutter meinte, als ich ca. 2 oder 3 Jahre alt war, war die letzte Nachsorge, wo alles okay aussah.

Auch jetzt glaube ich nicht, dass ich Hilfsmittel wie Analtampons brauche. Flohsamenschalen verwende ich bereits, die funktionieren auch ganz gut. Ich muss meine Wäsche eigentlich nie wechseln, höchstens 1-2 mal im Monat. Das ist mir dann schon lieber, als immer Einlagen o.ä. zu tragen, weil ich die recht unangenehm finde. Habe auch ziemlich regelmäßigen morgendlichen Stuhlgang, und dann darauf bezogen meist den Rest des Tages Ruhe (Außer ich habe Durchfall, was durch die Flohsamenschalen aber mittlerweile zum Glück ziemlich selten auftritt).

Mein Problem besteht wirklich eher darin, dass ich durch den Reizdarm oft starke Blähungen habe und die durch die Inko oft nicht halten kann. Ich habe auch das Gefühl, dass es tagesformabhängig ist, kann das sein? An manchem Tagen ist es überhaupt kein Problem und an anderen hab ich das Gefühl ich kann noch so stark alles anspannen, ich kann die Blähungen dann nicht einhalten.

Du hast natürlich Recht damit, dass ich einfach ehrlich sein und dazu stehen sollte. Ich denke als erstes sollte ich es wohl beim Proktologen ansprechen. Könntest du mir beantworten, wie lang so eine Anamnese der Inkontinenz dauert? Zieht sich das über mehrere Termine/Wochen? Ich finde das eine ziemlich belastende Vorstellung und würde mir wünschen, dass es schneller vonstatten geht. Kann natürlich sein, dass das nicht geht, aber dann könnte ich mich wenigstens darauf einstellen.

Ich mache übrigens bereits seit einigen Monaten Beckenbodentraining, das hat auch eine leichte Verbesserung mit sich gebracht, aber keine besonders starke. Deswegen denke ich, dass ein schwacher Beckenboden bei mir nicht das Problem ist, ich habe ja auch z.B. keine Probleme, Harn anzuhalten. Vielleicht dauert es aber auch einfach länger, bis man einen deutlichen Effekt dieses Trainings merkt?

Vielleicht kannst du mir ja bei diesen Fragen auch noch einmal helfen.
Liebe Grüße,
Ankertie
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Re: Wie spreche ich es an?

Beitrag #4 von Helmut » 29 Jun 2020 16:54


Hallo Ankertie,

ich denke deine Stuhlinkontinenz lässt sich in Schweregrad 1 ganz gut einordnen, so wie du es beschreibst. In deinem Fall halte ich dann Hilfsmittel auch für nicht notwendig, außer vielleicht wenn sich ein Durchfall ankündigt. Dann könntest du dann so Pants zur Sicherheit tragen und wenn doch was abgeht, dann hast nicht gleich deine Kleidung versaut und musst nur die schmutzige Pants wechseln.

Da du ja schon ein Beckenbodentraining machst und es da nach deiner Aussage eine leichte Verbesserung gab, wird wohl in erster Linie bei dir eine Schwäche des Schließmuskels vorliegen, bei welcher die Verschlusskraft zu gering ist.

Die Anamnese der Inkontinenz wird sicherlich einige Termine mit verschiedenen Untersuchungen nach sich ziehen, bis die genaue Diagnose steht. Ich denke dass der Proktologe ein Ultraschall des Schließmuskels macht, vermutlich auch eine anorektale Manometrie und ggf. noch eine Defäktografie. Vielleicht kommt noch ein MRT dazu, je nach den vorherigen Ergebnissen. Klar ist es kein Spaziergang, manche Untersuchungen sind schon etwas Unangenehm, aber zur Diagnosefindung notwendig.

Es dauert schon einige Monate bis man beim Beckenbodentraining überhaupt sagen kann, ob es was bringen wird, bei dir scheint es der Fall zu sein. Frage den Proktologen nach den Übungen, da gibt es spezielle Beckenbodenübungen für Stuhlinkontinenz, um auch den Afterschließmuskel zu stärken. Unterstützt werden die Übungen oft durch ein Biofeedbackgerät oder durch die Elektrostimulation mit einer Rektalelektrode, die Geräte gibt es auch in Kombination. Erst wenn nach einem Jahr keine merkliche Verbesserung eintritt, kann man davon ausgehen, dass das Beckenbodentraining nicht zum Erfolg führen wird.

Schön zu hören dass die Flohsamenschalen bei dir so gut funktionieren, die nehme ich auch regelmäßig ein, um meinen Stuhl anzudicken.

Viele Grüße Helmut
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